Magnum in der Bonner Harmonie: ein Konzert mit vielen emotionalen und musikalischen Höhepunkten

Magnum-Sänger Bob Catley. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Konnte es einen besseren Song zur Eröffnung des Konzertes geben als diesen? Bob Catley betritt die Bühne nach einem kurzen Intro der Band. Das lange Haar weht wie ein weißer Schatten um seinen Kopf. „When we were younger we lived for the day/They seemed much longer but drifted away/Now I’m much older, I don’t have to try/There’s no one to whisper goodbye.“ Das klingt kein bisschen wehmütig bei dem 70-jährigen Sänger von Magnum, sondern eher wie eine nüchterne Feststellung. Die britische Rockband liefert in der Bonner Harmonie am Dienstag ein Konzert mit wirklich vielen emotionalen und musikalischen Höhepunkten – und die Fans danken es mit ohrenbetäubendem Applaus.

Von Dylan Cem Akalin

Magnum-Gitarrist Tony Clarkin. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Die Briten haben sichtlich Freude an ihrem Auftritt. Keyboarder Rick Benton ist neu dabei, er singt im Hintergrund jedes Stück mit und tanzt an seinen Tasten mit einem ewig lächelnden Gesicht. Schlagzeuger Lee Morris ist ebenfalls neues Bandmitglied. Mit Bassist Al Barrow ist er bei jedem Takt mit Elan dabei. Einzig was in Gitarrist Tony Clarkin, der bekanntlich ja seit Jahrzehnten alle Stücke der Band schreibt, ist nicht aus seinem Gesicht zu lesen. Der 71-Jährige absolviert sein exzellentes Spiel an seinen Gitarren ohne äußerliche Regung – wie immer. Nicht mal bei seinem einzig langen Gitarrensolo bei „How Far Jerusalem“ zuckt es in dem bärtigen Gesicht. Was soll`s. Der Mann hat einen genialen Sound an den Gitarren, schafft Soundcollagen, schüttelt mythische Rockriffs aus dem Ärmel und flitzt technisch sauber mit den Fingern über die Saiten.

Keyboarder Rick Benton FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Und Bob Catley ist ebenfalls glänzend aufgelegt. Sie Stimme hält die ganzen gut ein Dreiviertelstunden. Bei „Sacred Blood ‚Divine‘ Lies“ wird die Stimme entsprechend der Grundstimmung des Songs rauer, kratziger. Zu Beginn von „Lost on the Road to Eternity“ bleibt die Band zunächst von kalten blau-weißen Lichtkegeln im Dunkel bestrahlt, und Clarkin haut dramatische Riffs aus seiner roten Telecaster. „Crazy Old Mothers“ klingt im Thema wie eine dreckige, rockige Reminiszenz an den „Earth Song“ von Michael Jckson. Nach einem sanften Pianointro steigt die Band symphonisch ins Thema und Catley setzt einen leidenschaftlichen Gesang an, in dem die Sätze fast ausgespuckt werden: „Come on, you crazy old mothers/ Let’s get in trouble tonight“. Was für eine Kraft im Ausdruck! Großartig!

„Without Love“ lebt von der schwülen Hitze des Rhythmus. Afrikanische Trommeln, sägende Riffs, hymnischer Gesang. „Your Dreams Won’t Die“ klingt wie eine Gemeinschaftsarbeit von Foreigner und Uriah Heep. „Peaches And Cream“ tänzelt auf einer rockig-popigen Welle. „Les Morts Dansant“ vom frühen Erfolgsalbum „On a Storyteller’s Night“ (1985) beginnt anders als im Original mit einem klaren Pianointro, in das dann die Gitarre wie gewohnt rhythmisch einsteigt. Darüber liegt der bewegte Gesang.

Schlagzeuger Lee Morris FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Auf dem neuen Album gibt es ja einige exzellente Rock-Standards, so wie das bereits gespielte „Peaches and Cream“, das ausgezeichnete „Show Me Your Hands“, wo Gitarre und Keyboard das Publikum auf eine Achterbahnfahrt des Hard Rock führen und das gesamte Publikum die Arme seitlich schwingt. Der Applaus, das Jubeln und Pfeifen wird von Song zu Song lauter.

Ein weiterer Klassiker aus „On A Storyteller’s Night“ folgt. Das hart rockende „All Englands Eyes“ wird von der Menge begrüßt, und die Band führt eine dynamische und kraftvolle Version des Songs auf. Die Männer auf der Bühne sind wirklich in Bestform.

Als die Menge die ersten erkennbaren Riffs hört, klatscht es wieder begeistert. Es ist eine rockende Version des Klassikers „Vigilante“ (aus dem gleichnamigen Album). Bobs Stimme und Präsenz sind beeindruckend und die felsenfestarbeitende Rhythmussektion spielt sich bei diesem Song auf Hochtouren.

Bassist Al Barrow FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Wings of Heaven“ war wohl das erfolgreichste Album der Band. Die Platte aus den späten 1980ern brachte einige Hit-Songs hervor, aber es enthielt auch das überlage Stück „Do not Wake The Lion“, gut zehn Minuten geradezu progressiver Hardrock mit einem unwiderstehlichen Refrain. Klasse Schluss. Als Zugabe gibt es „The Spirit“ (Chase the Dragon, 1981), ein an Kansas erinnerndes Stück mit leichten Folkeinschlägen im Rock. Mit „When the World Comes Down“, einem eher schwächeren Stück der Band, schließt der Abend. Der Song mit dem etwas schwülstigen, hymnischen Refrain entstand sicherlich unter dem Eindruck der elektronischen Soundmöglichkeiten der 80er Jahre — aber nach einem solch großartigen Abend durchaus zu verzeihen.