Alice Cooper, der Godfather des Shock Rock, wird 70 – und rockt immer weiter

Alive Cooper 2015 auf dem Kunst!Rasen Bonn FOTO: Ingo Firley

Der Mann mit den schwarzbemalten Augen ist der Godfather des Shock Rock:  Alice Cooper, als Vincent Furnier geboren, feiert am Sonntag, 4. Februar 2018, seinen 70. Geburtstag  — und er feiert, musiziert und empört seit fast 50 Jahren sensible Seelen. Der theatralische Rocker zeigt immer noch keine Anzeichen dafür, dass er sein berüchtigtes Alter Ego in absehbarer Zeit versenkt.

Von Dylan Cem Akalin

„School’s out for summer / school’s out forever/ school’s been blown to pieces.“ Es ist die Hymne von etlichen Generationen von Schulabgängern. Cooper, der in Paradise Valley in Arizona lebt, gehört zu den Pionieren theatralischer Elemente in der Rockmusik. Die Gruppe um Cooper gründete sich Ende der 60er Jahre in Phoenix. (siehe auch Alice Cooper live)

Erst im vergangenen Jahr veröffentlichte Alice Cooper sein 27. Studioalbum, und er scheint ständig unterwegs zu sein. Nachdem er gerade eine Welttournee mit 100 Shows absolviert hat, kündigte er jetzt 20 weitere Auftritte im nächsten Monat an.

Sowohl als Frontmann der ursprünglichen Alice Cooper Band als auch als Solokünstler hat Cooper einige der großen hymnischen Singles unserer Zeit geschrieben. Er hat den Glam Rock vorweggenommen und populär gemacht, den Punk beeinflusst und gilt heute als Heavy Rock- und Metal-Ikone. Und dann gibt es natürlich die großen blutigen Bühnenshows, die in einer Welt voller Schrecken ihren Schockwert vielleicht verloren haben, aber in den fernen 1970er Jahren etwas Innovatives und Gefährliches darstellten.

Seine Bühnenshow sei wie eine Fahrt mit der Geisterbahn, sagte Alice Cooper, der privat am liebsten golft – er gilt als hervorragender Spieler — und in die Kirche geht. Auch wenn er auf der Bühne viel Kunstblut verströmt, Baby-Puppen die Köpfe abschlägt, sich selbst unter die Guillotine legt — privat ist er ganz brav: Seit mehr als 40 Jahren ist der Vater von drei Kindern mit derselben Frau verheiratet. In einem Interview sagte er einmal, er sei 22 Stunden am Tag der ganz normale Vincent Damon Furnier, als der er geboren wurde.

Vincent Damon Furnier wurde als Sohn eines Priesters in Detroit/Michigan geboren und zog später mit seiner Familie nach Arizona. Mit Freunden aus dem Langlauf-Team nahm Cooper aus Spaß an Talentwettbewerben teil — als Beatles verkleidet.

Zu Beginn der 1970er Jahre schlug Cooper in seiner amerikanischen Heimat mit der ursprünglichen Alice Cooper Band, zu der die Gitarristen Glen Buxton und Michael Bruce, Schlagzeuger Neal Smith und Dennis Dunaway am Bass gehörten, die ersten großen Wellen. Da wurde auch ein gewisser Frank Zappa auf ihn aufmerksam und produzierte sein erstes Album.

Den Namen Alice Cooper entnahm er übrigens einem sogenannten einem Ouija-Board, einem Hexenbrett aus dem 17. Jahrhundert. Außerdem klinge der Name so harmlos und beruhigend im Gegensatz zu ihrer Musik und ihren Live-Auftritten, erzählte er einmal. Inspiriert wurde er von den Detroiter Rockern The Stooges und MC5, die damals im völligen Widerspruch zum Ethos der gesamten Hippie-Generation standen. Die Truppe nahm im Bereich des theatralischen Rocks auf jeden Fall eine Pionierrolle ein. Ihre Shows waren mit ihren ungeheuerlichen Rauch- und Spiegel-Effekten echte Spektakel. Und man wollte ja auch erschrecken, einschüchtern mit Schlangen, zerstückelten Puppen und viel künstlichem Blut. Willkommen in Alice Coopers Albtraum!

„Welcome To My Nightmare“ hieß das erste Solo-Album des Rockers 1975, der eine ganze Reihe von gleichgesinnten Künstlern von David Bowie über Marilyn Manson bis hin zu John Lydon inspirierte. Über die Horrorgeschichte, er habe mal auf der Bühne einem Huhn den Kopf angerissen, sagte er: „Ich habe es auf das Publikum geworfen, und das Publikum warf es zurück und am nächsten Tag las ich in der Zeitung, dass ich das Huhn getötet hätte. Ich dachte, nun, die Leute lieben es. Ich habe nie gesagt, dass ich es getan habe oder nicht.“ Also ließ er die Welt glauben, dass er es tatsächlich getan hätte. Auch sein Agent Shep Gordon, der noch 43 Jahre lang sein Agent war, habe ihm gesagt, dass es „gut für die Publicity“ sei.

Und die Schlangen? Die Schlangen sind zumindest nicht auf der Bühne gestorben. Einer starb an Lungenentzündung. Ein anderer verbrachte seine letzten Stunden in einem Toilettenabfluss in einem Hotel in Tennessee.

Bei all diesem ganzen Trash-Trubel darf man die grandiose Musik nicht vergessen, die zu einem großen Teil dem klassisch ausgebildeten Whizz-Kid-Produzenten Bob Ezrin zu verdanken war, den Cooper oft als George Martin der Band bezeichnet. Doch erst im Sommer 1972, auf dem Höhepunkt des Glam-Rocks, gelangte die Rolle von Alice Cooper ins öffentliche Bewusstsein in Europa: Die hymnische Single „School’s Out“ stürmte die Charts und die Alice Cooper Band war für kurze Zeit die größte Band der Welt. Doch 1974 ging die Band schon auseinander, und Alice startete seine Solokarriere. Dem ersten Erfolg folgte ein Sturzflug nach unten. Alice Cooper kämpfte auch jenseits der Bühnen gegen seine eigenen Dämonen und wurde Alkohol- und Kokainsüchtig nach, bevor es Ende der 1980er und Anfang 1990er wieder aufwärtsging.

Er erzählte einmal, dass es Zeiten gegeben habe, wo er nicht gewusst habe wo er sei, geschweige denn wer er sei. Geholfen hätten ihm aber vor allem zwei Dinge: das Golfspielen und die Kirche. „Ich habe mich damals nach etwas umgesehen, das mich vom Alkohol abhalten würde.“ Dem britischen Independent sagte er einmal „Ich spreche von Alice in der dritten Person, weil ich ihn nirgends mitnehmen kann. Er gehört auf die Bühne. Aber es gab eine ziemlich lange Zeit eine Grauzone, in der ich nicht wusste, wo ich anfing und wo Alice endete.“

Der Grusel-Rocker, der angeblich jeden Tag nach dem Frühstück 20 Minuten in der Bibel liest, ist auch Familienmensch und hat gemeinsam mit der Tänzerin Sheryl Goddard drei Kinder.

Letzten Juli veröffentlichte Alice Cooper „Paranormal“, sein erstes Studioalbum seit sechs Jahren. Produziert von Bob Ezrin erlangte es umgehend den Status eines Klassikers und zeichnet sich durch seine Kollaborationen mit ZZ Tops Billy Gibbons, U2s Larry Mullen und Deep Purples Roger Glover aus. Das Album stürmte die deutschen und australischen Charts auf #4, #6 in Großbritannien sowie Schweden und erreichte die höchsten Chartpositionen für Alice seit mehreren Jahrzehnten.

Ende 2017 kehrte Cooper von seiner erfolgreichen Welttournee zurückgekehrt, auf der er über 100 Shows auf fünf Kontinenten spielte. Darunter auch einen fulminanten Auftritt als Headliner auf dem Wacken Open Air Festival im August, und seine Tour durch deutsche Hallen im Herbst 2017.

Nur wenige Tage nach Alice Coopers Geburtstag, erscheint am 23. Februar 2018 seine neue Single „The Sound Of A“, einer der hypnotischsten Songs auf „Paranormal“. Neben dem Titeltrack enthält die als limitierte CD sowie weiße 10“ Vinyl erhältlich Single vier bisher unveröffentlichte Livesongs aus Columbus, OH.