Ganz große Klasse: „Nightfall“ von Till Brönner & Dieter Ilg

Till Brönner und Dieter Ilg FOTO: Chris Noltekuhlmann © Sony Music Entertainment

Das Album ist eine kleine Sensation. Bonner Fans werden sich noch ans Jazzfest 2013 erinnern, als Till Brönner das Wagnis live anging, lediglich im Duo mit dem Bassisten Dieter Ilg den Klangraum zu entdecken, die Trompete/Flügelhorn und Bass bieten können. Vor fünf Jahren also erklangen schon die außergewöhnlichen Bearbeitungen von Beatles-Nummern wie „Eleanor Rigby“ und echten Klassikern wie „5The Fifth of Beethoven“. Auf dem neuen Album „Nightfall“ der zwei deutschen Starjazzer, das am 26. Januar 2018 erscheint,  sind neben einigen wenigen Eigenkompositionen Bearbeitungen von „A Thousand Kisses Deep“ (Leonard Cohen), „Scream & Shout“ (will.i.am & Britney Spears) und der Bachdauerrenner Air zu hören. Und Letztere, das sei gleich vorweggenommen, in einer großartigen, ziemlich dekonstruktiven Version.

Von Dylan Cem Akalin

Endlich verlässt Till Brönner die gutgepflasterten Wege seiner bisherigen Karriere und schlägt sich ins Gebüsch, wo es auf den Augenblick des Erlebens ankommt. Und der ist einfach großartig. Brönner und der Freiburger Dieter Ilg entführen den Zuhörer nicht nur mit exzellentem Sound in ihre manchmal gar recht experimentelle Welt. Die beiden kennen sich. Man hat sie beide schon in unterschiedlichen Konstellationen und mit ebenso abwechselnden Programmen gesehen. Und es sind Musiker, die auf Augenhöhe miteinander kommunizieren.

Was die beiden Musiker hier bieten, das lässt sich wohl nur umsetzen, wenn man mindestens Brüder im Geiste ist. Es ist, als würden Brönner und Ilg das Gebräu der einzelnen Stücke soweit aufkochen, bis  nur noch die Grundsubstanz da ist, wie bei einem guten Bratenjus. Sie gehen ganz tief in die Struktur, in den Geist der Komposition und lassen ihre bloße Seele sprechen.  Und das wirkt dann bei diesen so innigen Zwiegesprächen ungeheuer intim. Der Zuhörer wird Zeuge von  in sich versunkenen Soli und einander zugeneigtem Zusammenspiel.

Ilg hatte zuletzt ja schon Einblicke in „seinen Beethoven“ und  „B-A-C-H“ gegeben, und auch früher schon beschäftigte sich der Bassist mit der Adaption bekannter Melodien. In der Bonner Harmonie etwa spielte er 1999 mit seinem Trio Volksweisen, dass einem nur schwindelig wurde, wie es etwa Schlafliedern mit Loops und verfremdeten Samples völlig neue Gewänder überzog. Es ist diesmal etwas anderes. Brönner und Ilg müssen sich hier aufeinander und die Kraft ihres eigenes Instruments vertrauen, um eine Stimmung zu erzeugen, bei der der Zuhörer nichts vermisst. Es gibt keine Ausflüchte, keine doppelten Böden und Hintertüren, wo Drummer, Gitarristen und/oder Pianisten/Keyboarder Räume füllen können. Genau das macht es so spannend.

Till Brönner FOTO: Chris Noltekuhlmann © Sony Music Entertainment

Ilg, der schon mit Musikern wie Marc Copland, Rolf Kühn, Dave Liebman, Bennie Wallace, Sadao Watanabe,  Joanne Brackeen,  Nils Landgren, Rebekka Bakken, Thomas Quasthoff, Randy Brecker, Mike Stern, Bob Berg und vielen anderen gespielt hat, hat sich mit den Jahren ein ebenso weltmännisches Vokabular angeeignet, wie der international erfolgreichste deutsche Jazzer Brönner.

Der Opener „A Thousand Kisses Deep“ kommt noch recht eingängig daher, mit einem sehr zurückhaltenden Bass. Und so endet das Album übrigens auch mit einer total entrückten Version von „Ach, bleib mit Deiner Gnade“. Ein irrer Soundtrack.

Beethovens Fünfte wirkt wie eine swingende PostBop-Nummer, „Air on a G String“ hat was von einer Nachtstimmung. Und das Titelstück ist ein mitten ins Herz gehendes Stück, bei dem Bröner auf seiner Trompete alle Register zieht. Überhaupt: Auf „Peng! Peng!“ lässt er es wie einem Schwarm Bienen summen, bei „Wetterstein“ bieten sich die beiden einen aberwitzigen Dialog, bei dem sie ihren Instrumenten alle möglichen Klangvariationen abverlangen, „Scream & Shout“ hat natürlich einen ziemlich rockigen Groove.

Fazit: Das Album bekommt von mir alle Sterne, die man nur vergeben kann. Ganz große Klasse!

 

Dieter Ilg FOTO: Chris Noltekuhlmann © Sony Music Entertainment

NIGHTFALL TOURNEE 2018:
30.01.2018   Basel, Martinskirche
31.01.2018   Zürich, Neumünster Kirche
25.02.2018   Köln, Philharmonie
26.02.2018   Kreuztal, Stadthalle
27.02.2018   Datteln, Stadthalle
01.03.2018   Bremen, Glocke
02.03.2018   Halle, Steintor Varieté
03.03.2018   Dessau, Anhaltischen Theater
07.03.2018   Berlin, Konzerthaus
21.03.2018   Karlsruhe, Tollhaus
22.03.2018   Hamburg, Laeiszhalle
28.04.2018   Schwerin, Staatstheater
17.11.2018   Waldshut, Sedus Werk Dogern
18.11.2018   Lindau, Inselhalle