Tubes and Wires beeindrucken, Rebekka Bakken enttäuscht

NielsKleinTubesWires (c) Lutz Voigtlaender

Niels Klein und Tubes & Wires machen Musik, bei der sie eine abstrakte Form der frühen Pink Floyd und Frank Zappas „Grand Wazoo“ zu einem neuen modernen kreativen Jazz formen. Ein  beeindruckendes Konzert beim zweiten Abend des Jazzfest Bonn am Sonntag. Rebekka Bakken enttäuscht.

Von Dylan Cem Akalin

NielsKleinTubesWires (c) WPR Schnabel

Computeranimiertes Rauschen füllt den Raum, und dann steigt Jonas Burgwinkel, dieser Ausnahmedrummer,  mit wuchtigem Schlagzeug ein, Niels Klein setzt mit elektronisch verfremdeter Klarinette an. Das E-Piano von Lars Duppler hält melodisch die Balance, und der sonst so zurückhaltende Hanno Busch überrascht mit einem überaus heftigen Gitarrensolo, wie ich ihn bei ihm selten gehört habe.

Aber bei Tubes & Wires ist eh alles anders. Schon die Instrumentierung! Klein spielt mal eine perkussive Bassklarinette, dann eine melodiöse Alto- und – habe ich live noch nie gehört – eine Contra-Alto-Klarinette. Häufig modelliert er den Klang seiner Holzblasinstrumente über allerlei Effektgeräte, dann kommen Synthesizer aus den 70er Jahren zum Einsatz, das Fender Rhodes, eigentlich für seinen klaren, gurgelnden Sound bekannt, wird völlig verzerrt. Duppler erzeugt feine, pfeifende Kolorite, als würden sie am Rand eines Wasserglases erzeugt, dazu spielt Hanno feine Gitarrenlinien, bei „Sweep“ klingt er ein wenig nach Pat Metheny, beim Schlussstück „Erase“ driftet er mit seinem Slidegitarrenspiel sogar zu melodischen Blues-Pentatoniken im Sound eines David Gilmours. Hanno Busch ist für mich die Überraschung des Abends!

NielsKleinTubesWires (c) WPR Schnabel

Überhaupt haben sich die vier Kölner viel Erstaunen erspielt. Dieses jecke Verwirrspiel mit allerlei Genres – von der programmatischen Filmmusik über Formen des Progressive Rocks, der Klassik („Gleam“) bis hin zu allerlei Spielarten der modernen improvisierten Musik – zeugt von hoher kreativer Fantasie. Zumal Klein zu den einzelnen Stücken eh ziemlich verschrobene Geschichten erzählt. Die Musik ist Ergebnis von durchaus klugen philosophischen Gedanken über die Grenzen von Dimensionen und eine innige wie liebenswürdige Hommage an die Sciencefiction-Literatur.  In „Backward Happiness“ geht es um die Frage, was mit dem Universum geschieht, wenn es sich nicht mehr weiter ausdehnt, sondern zu schrumpfen beginnt. Läuft die Zeit dann rückwärts? „Camarudo“ ist eine Hommage an Designer von Hollywood-Raumschiffen und das Rätsel, wie man wohl ein Autoradio in einem Raumschiff bezeichnet. Ein atemberaubendes Konzert!

Dagegen enttäuschend der zweite Teil des Abends. Wo ist die Rebekka Bakken geblieben, die noch vor 15 Jahren solch ein sagenhaft gutes Album wie „Scattering Poems“ mit dem Julia Hülsmann Trio aufnahm? Das Programm und die Show waren diesmal nicht mehr als „Alt-Bakken“. Ein bisschen Oleta Adams, ganz viel Chi Coltrane der 70er Jahre klangen durch. Als Opener wählte sie das Popliedchen „Any Pretty Girl“, begleitete sich selbst beim süßlichen Song „“A Whole Lot of Angels“ und präsentierte die doch etwas gehaltlose Ballade „September“, die sie einmal morgens um 4 Uhr in Schweden geschrieben habe.

Rebekka Bakken (c) WPR Schnabel

Der R’n’B-artige Song „Powder Room Collapse“ war vielleicht der Höhepunkt ihres Konzertes. Ein durchaus hervorragendes Arrangement mit einem erstklassigen Gitarrensolo von Nils-Einar Vinjor auf einer clean-geschalteten Fender Strat, sehr sparsam, aber effektiv beginnend und sehr bluesig. Wunderbar! Überhaupt die Band: Exzellent besetzt mit Jesper Nordenström, Per Mathisen, der mehrmals mit fantastischen Soli glänzte, und Rune Arnesen.

Verzichtbar: Das Liedchen „Der Schnee draußen schmilzt“. Der Rest: Hausmannskost. Der Vollständigkeit halber: Das Publikum war offensichtlich genau wegen dieses Programms gekommen.