Marianne Faithfull feiert am Donnerstag, 29. Dezember 2016, ihren 70. Geburtstag. Eine Würdigung.
Von Dylan Cem Akalin
Rauchverbot war damals noch nicht, und Marianne Faithfull hatte fast ständig eine qualmende Kippe in der Hand, in der anderen eine rote Rose. Ziemlich genau 14 Jahre ist es her, als sie so unsagbar lässig, ja, auch ein wenig schroff, aber sehr eindringlich ihre Songs im Kölner E-Werk vortrug, immer irgendwie mit einem leichten Spott in den Mundwinkeln. Damals stellte sie ihr neues Album „Kissin‘ Time“ vor, das ihr wieder einmal ein Comeback bescherte. Aber auch ältere Songs wie „Wherever I Go“ oder „Why D’Ya Do It“ und selbstverständlich „The Ballad Of Lucy Jordan“ und „Broken English“ gab es zu hören. Und als Zugabe ein Liebeslied, das Tom Waits für sie schrieb: „Strange Weather“.
An diesem Donnerstag, 29. Dezember 2016, wird Marian Evelyn Faithfull, die in der breiten Öffentlichkeit über die Boulevardpresse vor allem durch ihre Liebesbeziehung zu Mick Jagger bekannt wurde, ihren 70. Geburtstag.
Im November 2004 ist die Britin zu Gast im Bonner Brückenforum. Sie lässt sich Zeit für ihren Auftritt. Zunächst Vorband, Umbaupause. Es geht auf 23 Uhr zu, als sie im dunklen Anzug auf der Bühne erscheint. Und die Frau macht energisch klar, dass es kein Kuschelabend werden wird. Der Groove von „The Ballad Of Lucy Jordan“ pumpt unaufhörlich, die Gitarre zerrt, die raue Stimme macht jeden Song zu einem Erlebnis. „Working Class Hero“ und „Sister Morphine“ erscheinen als Dramen des Rock, „As Tears Go By“, mit dem Mick Jagger und Keith Richards sie 1964 in die Charts schrieben, indes bleibt akustisch. Ein unvergessener Abend.
Das ist also die Frau, die Mick Jagger den Kopf verdreht. Als er 1973 „Angie, all unsere Träume . . . gehen in Rauch auf“ sang, soll er Marianne Faithfull gemeint haben, diese schöne blonde Klosterschülerin aus dem vornehmen Londoner Viertel Hampstead, die die Schlagzeilen der Yellopress beherrschte. Die schillernde Tochter der Baronesse Erisso und des Psychotherapeuten Glynn Faithfull gab damals so freizügig mit dem Satz an: „Ich habe mit drei von den Stones geschlafen und mich dann für Mick entschieden.“
Die anderen beiden waren Brian Jones und Keith Richards. In der zweiten Hälfte der 60er Jahre waren Faithfull und Jagger sowas wie später Kate Moss und Pete Doherty. Keine Ahnung, ob es sowas heute überhaupt noch gibt. Wild soll die Beziehung gewesen sein, so wild, dass Jagger „Wilde Horses“ schrieb.
Auch „Sister Morphine“ schreiben manche Biografen ihr zu, auch wenn er später auf dem Stones-Album „Sticky Fingers“ mit der Autorenschaft Jagger/Richards erschien. Der Titel weist auf Drogenexzesse hin, an die zerstörerische Sucht, von der die äußerst talentierte Sängerin und Songschreiberin viele Jahre nicht loskommen sollte. Erst 1987 schaffte Faithfull, die 23 Jahre zuvor mit dem Superhit „As Tears Go By“ – für sie geschrieben von Jagger und Richards – über Nacht zum Star wurde, endgültig den Ausstieg aus dem Heroinkonsum. Daran hatte kein Mensch mehr geglaubt, nachdem sie Anfang der 70er Jahre nach der Trennung von Mick, etlichen Zusammenbrüchen und einem Selbstmordversuch als obdachlose Fixerin in London erlebt hatte.
Es war die Musik, die ihr über die Schicksalsschläge hinweghalf. Und dann kam auch die eher solide Ehe mit dem Bassisten Ben Brierley von der Band „Front“ dazu.
Brierleys Idee, Marianne zur Punk-Lady umzugestalten, erwies sich indes als unglücklich. Erst ihre Versuche, mit Balladen, Chansons und anspruchsvollem Pop den Erfolg zu sucher, brachten ihr die verdiente Anerkennung. 1979 lobte die Fachwelt ihr Album „Broken English“. Kritiker befanden, aus der wilden Marianne sei eine „erwachsene zeitgenössische Künstlerin“ geworden.
Immer wieder begeisterte sie mit herzhaftem Rock und ihrer kernig-heiseren Stimme auf Tourneen auch ihre Fans in Deutschland. Und auch als Interpretin von Brecht und Weill wurde sie bejubelt. Einhellig positiv fiel die Kritik zu ihrem 2004 veröffentlichten Album „Before the Poison“ aus.
Dann ein neuer Tiefschlag: Diagnose Brustkrebs. Faithfull hatte noch einmal Glück. Im November 2006 konnte sie ihre Heilung bekannt geben. 2007 wurde die Faithfull als Hauptdarstellerin in dem Film „Irina Palm“ auf der Berlinale gefeiert.