Ein Abend voller Emotionen und Überraschungen: Pavlov’s Dog zeigen in der Bonner Harmonie, dass sie mehr sind als ein Relikt der 70er. David Surkamp und seine Band verweben Klassik und Gegenwart zu einem intensiven, fast magischen Konzert. Gänsehaut inklusive.
Von Dylan Akalin
Es ist ein Abend der Überraschungen. Erst Iain Matthews, ein enger Freund seit ihren gemeinsamen Projekt Hi-Fi. Es war 1979, als David Surkamp, damals schon Frontmann von Pavlov’s Dog, und Ian Matthews, damals Fairpoint Convention, in Seattle aufeinandertrafen, beide auf der Suche nach neuen musikalische Herausforderungen. Das Ergebnis waren die Alben „Demonstration Record“ und „Moods For Mallards“, eine Musik zwischen Classic Rock, Pop und New Wave, vielleicht noch eine Prise Art Rock.

Die andere Überraschung ist Pavlov’s Dog selbst. Auf der Setlist stehen nicht nur die Klassiker aus den ersten Jahren, sondern auch vier Songs vom aktuellen Album, das alleine schon ein echt gutes Werk ist. Die Band mit ihrem so markanten Frontmann/Sänger David Surkamp schafft eine Zeitreise, in der sich Gegenwart und Vergangenheit auf zarte wie melancholische Weise umarmen. Tatsächlich hat mich die Band doch mehr emotional gepackt, als ich es erwartet hätte.
„Late November“
Aus den Lautsprechern erklingt „We Walk Alone Forever“, aus dem immer wieder der Gesang von „As Time Goes By“ heraussticht. Es ist ein eleganter, fast selbstironischer Auftakt: ein Gruß aus einer anderen Zeit, vielleicht auch ein Hinweis auf die Vergänglichkeit, bevor David Surkamp und seine Musiker die Bühne betreten. Surkamp ganz in schwarz, mit schwarzem Hut.

„Late November“ versetzt uns sofort zurück in die 70er, vor allem mit Surkamps markanter, vibratogeladener Stimme – immer noch unverwechselbar, irgendwo zwischen verletzlich und überirdisch. Sie ist nicht mehr ganz so hoch wie früher. Natürlich nicht. Aber das trägt die alten Songs mit einer neuen Intensität. Und bisweilen hat man den Eindruck, dass sie ihn schmerzen. Emotional.
Geigensolo von Abbie Steiling
„Fast Gun“ beginnt mit flottem Orgelintro, die Zeilen fast ein Sprechgesang, das Geigensolo von Abbie Steiling sehr virtuos über den komplexen Basslinien von Rick Steiling, Lliam Christy nimmt den Sound und den Stil der Geige auf der Gitarre auf und recht den Staffelstab an Keyboarder Mark Maher weiter.

An eine Kirchenorgel erinnert das Vorspiel zu „She Breaks Like a Morning Sky“. Die Nummer klingt kraftvoll, rauer als auf den alten Platten, mit einer rockigeren Note, die den Songs eine neue Dringlichkeit verleiht. Surkamps Gitarre am Ende ist sehr melodiös und erscheint den ganzen Abend als angenehmer Gegenpol zu den eher kantigen, abstrakten Solos von Christy.
„She Came Shining“
„She Came Shining“ startet mit einem Pianointro, der wie der volle Klangkörper eines Konzertflügels den ganzen Saal einnimmt. Als die Geige bei dieser zarten Ballade ansetzt, hüllt die Discokugel den Raum in flimmerndes Licht. Das melancholische, das leuchtende Gitarrensolo, der eingängige Chorus erinnern irgendwie an Neil Young.
„Standing Here With You (Megan’s Song)“ folgt – Surkamp singt sie mit einer zärtlichen Müdigkeit, die mehr erzählt als jedes perfekt intonierte Vibrato. Sein Solo mit viel Sustain am Schluss ist einfach hinreißend.
„Winterblue“ und „Another Blood Moon“
Mit „Jet Black Cadillac“ und „Calling Sigfried“ kippt die Stimmung ins Verspielte, fast Surreale. Es sind kleine, verschrobene Miniaturen, die zeigen, dass Pavlov’s Dog immer mehr war als ein nostalgisches Relikt der 70er. „Only You“ ist eine Ballade mit Druck, Christys Solo ein wenig beziehungslos, bei „Episode“ glänzt Abbie mit ihrem Geigenspiel erneut.
Besonders eindrucksvoll: „Winterblue“ und „Another Blood Moon“ – späte Werke, die mit ihrer Reife und Klangdichte beweisen, dass Surkamp auch heute noch großartige Songs schreibt. Das zappaeske Stück „Natchez Trace“ und „Subway Sandwich“ mit seinen Wendungen und Breaks bringen leise Ironie ins Spiel, bevor mit „Preludin“ und das etwas an Kansas erinnernde „Of Once and Future Kings“ wieder das Epische regiert. Am Ende von „Preludin“ erleben wir hinreißende Instrumentalduelle auf der Bühne.
Das Finale mit „Song Dance“ und „Valkerie“ ist eine Wucht. Die Band schwingt sich in flirrende Höhen, Surkamp dehnt jede Silbe, als wollte er die Nacht selbst in den Song hineinziehen.
„Julia“ zur Zugabe
Dann, nach minutenlangem Applaus, die Zugabe: „Julia“. Natürlich. Kaum ein Song fasst die Magie dieser Band so vollkommen zusammen – das Zerbrechliche, das Theatralische, das Herzblut. Ein leises Pianointro, Surkamps Stimme, die noch einmal alle Register zieht – und für drei Minuten scheint es, als hätte Bonn den Atem angehalten.
Das waren sensationelle zwei Stunden. Ein Abend zwischen Rückblick und Gegenwart, zwischen Rockoper und Kammermusik. Pavlov’s Dog bleiben ein Phänomen: Eine Band, die die Zeit überlebt hat, ohne ihre Seele zu verlieren. Und die tolle Nachricht vom Veranstalter: Pavlov’s Dog kommen wieder – voraussichtlich 2027!

Pavlov’s Dog Setlist Bonn, 12. November 2025:
We Walk Alone Forever/As Time Goes By (vom Band)
Late November
Fast Gun
She Breaks Like a Morning Sky
She Came Shining
Standing Here With You (Megan’s Song)
Anyway There’s Snow
Jet Black Cadillac
Calling Sigfried
Only You
Episode
Winterblue
Another Blood Moon
Natchez Trace
Subway Sandwich
Preludin
Of Once and Future Kings
Song Dance
Valkerie
Encore:
Julia










