Elektrischer Voodoo: Jerry Harrison & Adrian Belew entzünden im Carlswerk Köln ein Funk-Feuerwerk

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin

Jerry Harrison & Adrian Belew machen mit ihrer Band auf der “Remain In Light”-Tour Station im Carlswerk Köln

Von Dylan C. Akalin

Bereits mit dem Opener „Psycho Killer“ setzte die Band ein Statement: Es ist ein Abend voller Rhythmus, Reibung und Rückspiegelblicke in ein musikalisches Paralleluniversum: Jerry Harrison (Talking Heads) und Adrian Belew (King Crimson) machen am Freitag Station im Carlswerk Victoria, um mit ihrer großartigen Band die Talking Heads zu feiern – genauer gesagt deren stilistisch kühnes Meisterwerk „Remain In Light“ (1980), das bis heute wie ein fiebriger Traum zwischen Afrobeat, Artrock und digitalem Delirium klingt.

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin

Zwei ehemalige Mitstreiter aus den goldenen Tagen der Head’schen Hyperintelligenz stehen da auf der Bühne – der eine eher introvertiert, fast akademisch: Jerry Harrison, Keyboard-Architekt, ehemaliger Modern Lover und einer der stillen Konstrukteure des ikonischen Heads-Sounds. Der andere: Adrian Belew, immer noch lausbübisch, virtuos, manchmal fast ein bisschen größenwahnsinnig – Gitarrenzauberer mit Hang zur Kakophonie, der einst schon bei Zappa, Bowie und King Crimson seinen Verstärker in interstellare Bahnen schoss.

„Psycho Killer“

Schon bei „Psycho Killer“ spielt Belew eines seiner so charakteristischen wilden Solos. Der Song, in seiner ursprünglichen Form ein klaustrophobischer New-Wave-Klassiker, wird hier mit doppeltem Bläsersatz, sattem Bassdruck und ekstatischem Gesangsensemble zum Tanzflächenknaller transzendiert. Das Publikum fängt jedenfalls schon an zu hüpfen und zu tanzen. Shira Elias und Sammi Garett (von der famosen Funk-Formation Cool Cool Cool, die auch schon als Support den Abend starteten) verleihen dem Sound eine neue Dringlichkeit – stimmgewaltig, funky, schillernd. Es ist jedenfalls klar: Dies wird heute Abend keine Museumsführung durch die Achtziger, sondern eine Feier der Gegenwart im Retro-Gewand.

Cool Cool Cool

Dann „Crosseyed and Painless“, von Jerry fast im Sprechgesang aufgeführt, „Houses in Motion“, „I Zimbra“ – diese sperrigen, verschachtelten Songs, einst mit Brian Eno als Co-Pilot gebaut, geraten hier zur rhythmischen Liturgie. Vor allem beim letzteren Song hauen uns Percussionist Sammi Garett und Drummer Deion Williams mit einem unisono gespielten Part von den Socken. Bei „Born Under Punches“ tanzt die Band wie Zombies auf der Bühne.

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin

Die Band – eine eklektische Truppe aus Neofunkern, Jazzheads und Studioprofis – groovt wie eine gut geölte Maschine mit menschlichem Herz und sehr viel Seele. Deion Williams überzeugt mich am Schlagzeug, dessen Spiel wie eine Kreuzung aus Tony Allen und Stewart Copeland wirkt, mit kontrollierter Ekstase. Julie Slick am Bass zementiert mit grollender Präzision das Fundament.

Lausbübischer Schamane: Adrian Belew

Adrian Belew aber war der schillernde Schamane des Abends. Seine Soli: keine klassischen Eskapaden, sondern irrsinnige Miniaturen – quietschende Delfinlaute, sägende Glissandi, vokale Feedbacks, modulierte Wahnsinnsfragmente. Wer nicht wusste, wo oben und unten ist, war in seiner Welt genau richtig. Der Mann setzte schon immer mehr auf Soundkreationen als auf Fingerfertigkeiten, obwohl er die durchaus drauf hat, wie er beiläufig schon mal beweist. Bei „Thela Hun Ginjeet“, dem King-Crimson-Stück, das er ohne Jerry mit der Band spielt, geht das Publikum endgültig auf eine intergalaktische Reise.

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin

Jerry Harrison dagegen bleibt meist stoisch hinter Keyboard oder Gitarre, mehr Moderator als Magier, mehr Archivar als Anheizer – aber einer, dessen Präsenz als „Mastermind im Schatten“ das Ganze veredelte. Wenn er singt, wirkt es fast so, als käme die Stimme aus einer anderen Zeit, direkt aus den Sessions im Compass Point Studio von Nassau. Und wenn er mit der tiefen Bruststimme intoniert, erinnert er tatsächlich ein wenig an David Byrne.

Überraschungen im Mittelteil

Der Mittelteil bringt Überraschungen: Mit „Rev It Up“, Harrisons Solo-Hit aus den späten Achtzigern, und dem gospeligen „Slippery People“ – beide ohne Belew aufgeführt – bekommt der Abend einen leicht souligeren Anstrich. Derweil bewiesen Sänger und Sängerinnen erneut ihre Klasse, insbesondere Josh Schwartz, der zwischen Baritonsax und Backgroundgesang pendelte wie ein musikalischer Jongleur. Bisweilen erinnert er mich mit seinen Sprechgesängen an einen Marktschreier auf einem illustren Jahrmarkt.

„Once in a Lifetime“

Dann kommt der Song, auf den alle warten: „Once in a Lifetime“ – jener existenzielle Groove-Monolith, der bei jedem Konzert dieser Art zur kollektiven Halluzination wird. Der ganze Saal schwankt, singt, taumelt. Harrison spricht den ikonischen Monolog nicht selbst, sondern überlässt es Josh Schwartz – man vermisste David Byrnes manisches Timbre kaum. So hypnotisch die Version dennoch war, für mich fehlte da noch eine Spur mehr Energie und Dynamik.

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin

„Life During Wartime“, „Take Me to the River“, und dann die Zugaben: ein düster schwebendes „Drugs“, das den Hauch von Paranoia zurück in den Raum trägt, und als furioser Schlussakt das kaum zu bändigende „The Great Curve“ – ein rhythmisches Inferno, bei dem Greg Sanderson mit seinem Tenorsaxophon und EWI die letzten Moleküle im Raum in Bewegung bringt.

Am Ende tobt das Publikum, erschöpft und euphorisiert. Was bleibt? Ein Konzert wie ein Fiebertraum aus Funk, Kunst und kontrolliertem Wahnsinn. „Remain in Light“ ist mehr als ein Album – es ist ein Zustand. Und Jerry Harrison & Adrian Belew haben ihn in Köln für zwei Stunden wieder erfahrbar gemacht.

Band:

Die Begleitband besteht hauptsächlich aus Mitgliedern von Cool Cool Cool:

Shira Elias (vocals), Sammi Garett (vocals, percussion), Craig Brodhead (guitar, keyboard, synthesizer), Chris Brouwers (trumpet, keyboard, synthesizer), Greg Sanderson (tenor saxophone, EWI), Miles Livolsi (bass, synth bass), Josh Schwartz (Bariton-Saxofon und Vocals), Deion Williams (drums) sowie Bassistin Julie Slick

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin

Setlist Jerry Harrison & Adrian Belew:

Psycho Killer (Talking Heads)
Crosseyed and Painless (Talking Heads)
Houses in Motion (Talking Heads)
I Zimbra (Talking Heads)
Born Under Punches (The Heat Goes On) (Talking Heads)
Cities (Talking Heads)
Rev It Up (Jerry Harrison song) (without Adrian Belew)
Slippery People (Talking Heads) (without Adrian Belew)
Thela Hun Ginjeet (King Crimson) (without Jerry Harrison)
Once in a Lifetime (Talking Heads)
Life During Wartime (Talking Heads)
Take Me to the River (Al Green) Encore:
Drugs (Talking Heads)
The Great Curve (Talking Heads)

Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin
Jerry Harrison & Adrian Belew mit Talking Heads-Programm in Köln FOTO: Dylan Akalin