Von Dylan Akalin
Gerry McAvoy’s Band Of Friends – „The Atmosphere Of A Rory-Gallagher-Concert” in der Harmonie Bonn liefert genau das, was der Titel verspricht: eine Hommage an Rory Gallaghers legendäre Auftritte, geprägt von seiner unvergleichlichen Energie und musikalischen Raffinesse. Mit Gerry McAvoy am Bass und Brendan O’Neill am Schlagzeug, beide langjährige Wegbegleiter Gallaghers, sowie Davy Knowles an der Gitarre und den Leadvocals, entstand ein Abend voller emotionaler Momente und musikalischer Virtuosität.
Der Abend beginnt mit „Double Vision“, einem Klassiker, der gleich den Ton setzte: McAvoys straffer, präsenter Bass und das präzise Schlagzeugspiel von O’Neill geben den Songs eine kraftvolle Basis, auf der sich Knowles‘ Gitarrenspiel entfalten kann. Das erste Solo spielt Knowles mit einem gewissen Dreck im Sound, der entfernt an Jimi Hendrix erinnert.
„Messing with the Kid“
Mit „Messing with the Kid“, einem Cover von Mel London, zeigt Knowles seine Virtuosität. Die eingestreuten artificial harmonics – Obertöne, die durch gezielte Technik erzeugt werden – verleihen dem Song eine ganz besondere Note, die zwischen klassischem Blues und moderner Raffinesse oszilliert, ohne dabei Gallaghers Einfluss zu verstecken. In „Under the Gun“ folgt dann ein melodiöses Gitarrensolo, das Knowles’ Gespür für melodische Entwicklung verdeutlicht und gleichzeitig einen Hauch von AOR (Adult-Oriented Rock) in den Abend bringt.
McAvoy selbst übernimmt den Gesang bei „Lonely Mile“, einem Song mit subtilen Country-Anklängen, während der Übergang zu „Stand Your Ground“ mit seinen abgehackten Rhythmen und dem knackigen Fender-Solo nahtlos wirkt. Hier zeigt sich Knowles‘ Fähigkeit, das Erbe Gallaghers zu würdigen und gleichzeitig seinen eigenen Stil einzubringen. „Moonchild“ ist ein weiterer Höhepunkt, bei dem die Fans bei den beiden kraftvollen Soli förmlich ausflippen – besonders das zweite Solo erinnert mit seinem rohen, „schmutzigen“ Ton an Gallaghers unverfälschtes Spiel.
„When You Lose a Friend“
Der erste emotionale Höhepunkt des Abends kommt mit „When You Lose a Friend“, dessen melancholisches, melodisches Solo das Publikum spürbar bewegt. Die Fähigkeit, große Gefühle über seine Gitarre auszudrücken, war stets ein Markenzeichen Gallaghers, und Knowles gelingt es, diese emotionale Tiefe authentisch aufzugreifen – ohne zu kopieren.
Nach der Pause legt die Band mit „Heaven’s Gate“ nochmals nach. McAvoys Gesang harmoniert perfekt mit Knowles‘ Gitarrenspiel, das von flatternden, kreischenden Saitenklängen geprägt ist. „Overnight Bag“ hat einen Hauch von irischer Melodie, bevor „Man O’ The West“, eine Gallagher gewidmete Ballade, das Tempo wieder drosselt.
„A Million Miles Away“
Das Gitarrenintro zu „Bought and Sold“ zeigt einmal mehr Knowles‘ Fähigkeit, Gallaghers wilde, aber intelligente Spielweise zu adaptieren. „Tattoo’d Lady“, eines der bekanntesten Stücke von Gallagher, wird mit einem besonders markanten, nervösen Gitarrenintro eröffnet, bevor das Publikum dann mit einer etwa zwölfminütigen Version von „A Million Miles Away“ in eine andere Sphäre katapultiert wird. Hier demonstriert Knowles seine Virtuosität und Vielseitigkeit: das erste, epische Solo erstreckt sich über drei Minuten und lässt die Gitarre mit wunderbaren Soundvariationen erklingen. Besonders beeindruckend ist der Moment, als die Band die Lautstärke auf ein Flüstern reduzierte, bevor die Hookline erneut anschwellt und die Drums mit einem kraftvollen Wirbel einsetzen – etwas, was Gallagher ja auch schon mal gerne tat.
Der Abend kulminierte in „Bad Penny“, dessen Instrumentalteil fast einen Reggae-Rhythmus aufweist, bevor er sich in ein rhythmisches Tanzlied verwandelt. McAvoy geht währenddessen ins Publikum, klatscht Hände ab und sorgt für einen ganz besonderen Moment der Nähe. Die Zugabe, „Bullfrog Blues“, mit einem wilden Slide-Gitarrensolo, schließt den Abend energiegeladen ab.
Davy Knowles und Rory Gallagher
Logisch, dass die Fans an solch einem Abend Davy Knowles und Rory Gallagher vergleichen – zwei Gitarristen, deren Stile sich zwar ähneln, aber in der Essenz unterschiedlich sind. Und das ist vielleicht das Großartige an dieser Band, dass sie sich nicht als Coverband verstehen, sondern Gallaghers Erbe mit eigenen Noten weiterinterpretieren. Knowles spielt technisch versiert, mit klarer, oft melodiöser Phrasierung. Sein Gitarrenton ist polierter, und seine Soli tendieren dazu, einem harmonischeren Aufbau zu folgen, was besonders in Songs wie „Under the Gun“ und „When You Lose a Friend“ deutlich wird. Doch auch wenn Knowles seinen eigenen Stil pflegt, zollt er Gallagher Respekt, indem er den Geist seiner Musik aufrechterhält. Vor allem das zweite Solo in „Moonchild“ zeigte diese rauere, impulsivere Seite, die für Gallagher so charakteristisch war.
Gallagher selbst war eher ein Meister des rohen Ausdrucks, der in seinen Soli gar oft Elemente aus Jazz und Klassik einfließen ließ. In Songs wie „A Million Miles Away“ setzte er modale Skalen wie die dorische oder mixolydische Skala ein, die ihm erlaubten, seine Improvisationen melodisch und harmonisch reich zu gestalten. Gallagher spielte mit Feedback und chromatischen Läufen, um Spannungen aufzubauen, die er in kraftvolle, explosive Soli auflöste – eine Technik, die in Stücken wie „Walk on Hot Coals“ oder „Tattoo’d Lady“ zu hören ist.
Unerbittlich und präzise
Seine Slide-Technik, etwa in „Bullfrog Blues“, war unerbittlich und präzise, während seine Fähigkeit, Lautstärke und Dynamik zu variieren, ihm erlaubte, eine emotionale Intensität zu schaffen, die das Publikum immer wieder in den Bann zog. Diese klassischen und jazzigen Einflüsse machten Gallagher zu einem der vielseitigsten Gitarristen seiner Zeit, dessen Spiel immer ein bisschen chaotisch, aber zugleich tief durchdacht war.
Das Beeindruckende an Rory Gallaghers Spielweise war ja, dass er die Grenzen des Bluesrock erkannte und sie sie aufriss. Die typischen pentatonischen und Blues-Skalen reichten dem Iren längst nicht. Durch die Nutzung von klassischen und jazzigen Elementen verlieh er seinem Stil zusätzliche Tiefe und Komplexität.
Rory Gallagher, der Jazz und die Klassik
In Songs wie „A Million Miles Away“ oder „Walk on Hot Coals“ experimentierte Gallagher mit diesen Skalen, indem er Akkorderweiterungen und harmonische Wendungen nutzte, die oft an Jazz-Improvisationen erinnerten. Sein Gefühl für Harmonie ermöglichte es ihm, einen breiteren tonalen Raum zu erkunden, und gab seinen Soli eine fast narrative Qualität. Er konnte melodische Motive entwickeln und diese wie ein Jazzmusiker variieren, wodurch seine Improvisationen sowohl strukturiert als auch spontan klangen.
Klassische Einflüsse werden besonders deutlich in einigen seiner akkordbasierten Soli und Arpeggios, die mit einer fast barocken Präzision spielte. In Songs wie „Edged in Blue“ verwendet er langsame, melodische Läufe, die an klassische Gitarrenstücke erinnern, mit einem Sinn für Phrasierung und Dynamik, der weit über den typischen Bluesrock hinausgeht.
Eine weitere jazzige Technik, die Gallagher häufig einsetzte, war der Gebrauch von chromatischen Läufen. Diese halfen ihm, Spannungen aufzubauen, bevor er sie in einem emotionalen Ausbruch auflöste – eine Technik, die in Jazz-Soli häufig zu finden ist. Chromatik nutzte er nicht nur in seinen Soli, sondern auch in seinen Riffs, was ihm half, dem Bluesrock eine zusätzliche Schicht von Komplexität zu verleihen, ohne dabei den emotionalen Kern seiner Musik zu verlieren.
Ein richtig guter Abend
Gallaghers Fähigkeit, Elemente aus der Klassik und dem Jazz in seine Musik zu integrieren, machte ihn zu einem einzigartigen Gitarristen, der nicht nur die rohe Energie des Blues verkörperte, sondern auch die Raffinesse und Vielseitigkeit eines Musikers, der immer nach neuen Wegen suchte, seine Ausdrucksmöglichkeiten zu erweitern.
Ich muss zugeben, dass es Momente an diesem Abend gab, in denen ich an alte Konzerte mit Gallagher denken musste und doch etwas wehmütig wurde. Alles in allem war das Konzert von Gerry McAvoy’s Band Of Friends eine tolle Darbietung und eine fantastische Hommage an Rory Gallagher, die dessen komplexes musikalisches Erbe feierte, während Davy Knowles seinen eigenen Platz in diesem Rockkosmos behauptete. Wer dem Man von der Isle of Man genau zuhörte, konnte viele Elemente Gallaghers hören, die er intelligent in sein Spiel integrierte. Natürlich kann das ein Liveerlebnis mit Rory nicht ersetzen. Aber das war dennoch ein richtig guter Abend.