Bywater Call in der Harmonie Bonn: Eine musikalische Reise voller Emotion und Leidenschaft

Meghan Parnell und Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Von Dylan Akalin

Vielleicht haben Bywater Call an diesem Sonntagabend in der Harmonie Bonn ihr bestes Konzert ihrer Tour gespielt. Ich kann mir jedenfalls kaum vorstellen, wie sie das noch toppen könnten. Nur rund 200 Fans sind gekommen, und die, die lieber zu Hause geblieben sind, haben ein Ereignis verpasst.

Da hat alles gestimmt: Gesang, Improvisationsfreude, Sound, Atmosphäre und das Zusammenspiel der Band. Fantastisch. Und was hat uns Meghan Parnell für emotionale Momente geschenkt? Das ohne Mikro in den Saal gesungene Intro zu „Colours“ etwa. Die Sängerin muss selbst diese Erfahrungen gelebt haben, anders kann ich mir diesen intensiven Ausdruck kaum erklären. Da geht es um einen tiefen emotionalen Verlust und die Enttäuschung in einer Beziehung. Sie beschreibt mit brüchiger, rauher, spröder, doch starker Stimme, wie sie einen Brief öffnet und schlechte Nachrichten erhält, was die Erwartungen an den Mann und die Beziehung zerstört.

„Colours“

Die “Farben” (Colours) symbolisieren hier wohl verschiedene Facetten der Beziehung, vielleicht Emotionen oder Momente, die jetzt verblassen („Should your colours fade away“). Die Beschreibung von „fair-weather flowers“ und „hurricane love“ deutet auf instabile oder unbeständige Liebesbeziehungen hin, die zwar zeitweise blühen, aber auch schnell wieder vergehen.

Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Respekt für diesen Auftritt. Meghan ist eine Künstlerin, die zu ihrer Verletztheit, ihre Unsicherheit steht. Und da steht sie auf der Bühne in dieser alten Frackjacke über dem weißen Kleid und den Glitzerstiefeln und fragt, ob der Partner sich an all die verschiedenen „Schattierungen“ ihrer Liebe erinnern wird, die einst da waren. Oder war es nur eine „Masquerade of your love“?

Led Zeppelins „Kashmir“

Man will den Atem anhalten, während sie mitten in diesem von der Band unterstützten Sturm steht. Bei „Holler“ knallt die Stimme geradezu vor der aufwühlenden Frage, ob sie den Kampf aufgreifen soll, sowohl emotional als auch im übertragenen Sinne. Diese von feinen, rauen Eisenspänen überzogene Schmelz in ihrer Stimme füllt den ganzen Saal. Mühelos. Es geht um das Ringen mit Zweifeln und das Festhalten an einer Beziehung. „Grab me by my collar / Meet me on the ground“, singt sie und vermittelt das Gefühl, dass sie zwar tief unten ist und nach Hilfe sucht. Und dann geht dieser irre Song auch noch über in Led Zeppelins „Kashmir“. Laut, schräg, sensationell.

Bei „Sunshine“ spielt sie mit den Mächten des Gospel, dazu unterstützt sie die Band mit Verve. Das Zusammenspiel von Gitarre, Keyboard Piano und die Variationen, die die Trompete darauf antwortet, in das das Saxsolo einsteigt – wahnsinn! Die warme Soulstimme der Sängerin scheint den Raum zu umarmen, während die Band, angeführt von Gitarrist Dave Barnee, musikalische Landschaften schaft, die mal rau, mal sanft sind.

„Love The One You’re With“

Noch eines der vielen Höhepunkte: die fast zehn Minuten lange Coverversion von Stephen Stills „Love The One You’re With“. Das Stück hat die Energie eines surrealen Zirkus mit vielen musikalischen  teils gegeneinander laufenden  Parts, ganz starken Bläserarrangements, rasanten Soli sowohl von Stephen Dyte (Trompete) als auch von Saxophonist Julian Nalli. Und Dave Barnee spielt eine Gitarre mit einem irren, verzerrten Sound, liefert sich ein Duell mit Nalli, in das Dyte einsteigt. Es ist ein verrückter Zirkus, und Meghan ist die Dompteurin der wilden Tiere.

Orientalisch anmutende Sounds entlockt Barnee seiner Slidegitarre im Intro zu „For All We Know”. „Rising water” und „stranded / Lost at sea” symbolisieren Gefühle von Verlorenheit und Orientierungslosigkeit. Gleichzeitig wird in dem Song betont, dass es immer noch Hoffnung gibt, auch wenn man nicht alles vorhersehen kann (“For all we know”). Es geht um das Akzeptieren von Unsicherheiten im Leben und das Vertrauen darauf, dass sich alles fügen könnte, selbst wenn es keine klaren Antworten gibt. Das alles präsentiert Meghan Parnell aber nicht mit Trauerstimme oder erhobenem Zeigefinger, sondern auf ziemlich freche Art.

„Sign Of Peace“

Ein weiterer Höhepunkt des Abends war ohne Zweifel „Sign Of Peace“, ein Stück, das sich langsam und behutsam aufbaut, bevor es in einer fulminanten Explosion von Emotionen gipfelt. Hier trat die ganze Band – Barnee an der Gitarre, John Kervin am Keyboard, die rhythmisch präzise Agilität von Bassist Mike Meusel und Schlagzeuger Bruce McCarthy sowie die feurigen Bläserklänge von Julian Nalli (Saxophon) und Stephen Dyte (Trompete) – in den Vordergrund. Die Harmonie dieser Musiker war so perfekt, dass jeder einzelne Ton schien, genau an seinem Platz zu sein und dennoch Raum für spontane Ausbrüche der Leidenschaft zu lassen.

Fantastische Performance: Meghan Parnell mit Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Everybody Knows” beendet das fast zweistündige Set. Der Song über alltägliche Kämpfe und Geheimnisse, die Menschen in sich bergen, wird von einem tollen Pianosolo getragen. Es gibt ein starkes Gefühl der Wiederholung und Routine („Same ol’ creakin’ on the floor”), was ziemlich geschickt musikalisch umgesetzt wird, und es wird eine Art Täuschung oder Verstellung erwähnt, die Menschen in ihrem Leben aufrechterhalten (“Everybody holds tight the lies they keepin’”). Dieser Songtext spricht die universellen Wahrheiten und Geheimnisse des Lebens.

In der Tradition des Southern Soul und Blues

Bywater Call, eine Band, die in der Tradition des Southern Soul und Blues verwurzelt ist, beschert dem Publikum eine emotionale Achterbahnfahrt. Die Stimme von Meghan Parnell, die zwischen zarter Verletzlichkeit und unbändiger Kraft changiert, erinnert in manchen Momenten an die großen Stimmen der Soul-Geschichte, ohne dabei jemals an Authentizität einzubüßen.

Der Zugabe-Song „Baby I Love You“ von Aretha Franklin bildet den perfekten Abschluss für diesen außergewöhnlichen Abend. Parnell schließt den Abend mit einem leidenschaftlichen, fast intim wirkenden Gesang, der das Publikum noch einmal in die Tiefen der Soulmusik entführt.

Bywater Call haben einmal mehr bewiesen, dass sie mehr als nur eine Bluesrock-Band sind. Sie sind eine Formation, die es versteht, verschiedene Genres zu einem einzigartigen, emotional aufgeladenen Sound zu verweben. Es war ein Konzert, das noch lange nachhallen wird – nicht nur in den Ohren der Zuhörer.

Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Stephen Dyte an der Trompete und Julian Nalli am Saxofon: Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bruce McCarthy am Schlagzeug: Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn mit Dave Barnes (Gitarre), Julian Nalli (Saxofon), Bruce McCarthy (Schlagzeug) und Mike Meusel am Bass FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
John Kervis an den Keyboards: Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gibt alles: Meghan Parnell und Bywater Call 2024 in der Harmonie Bonn FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski