Von Peter „Beppo“ Szymanski
Nach 110 Minuten waren sich sicher alle Besucher einig: Das war ein großartiges Konzert auf dem KunstRasen Bonn. 7000 Besucher feierten jedenfalls die 2012 in Frankenmuth, Michigan, gegründete Band Greta van Fleet. Die Brüder Josh Kiszka (Gesang), Jake Kiszka (Gitarre), Sam Kiszka (Bass und Keyboard) sowie Danny Wagner (Schlagzeug) stehen vor einer weiten Wüstenkulisse, die an ein orientalisches Märchen erinnern würde, steckte nicht vorne ein Schwert im Sand – wie Excalibur im Fels.
Der Sound auf dem Platz ist kristallklar, und Josh Kiszka hält von Beginn an intensiven Kontakt zum Publikum. Später wird er zwei große Sträuße mit weißen Rosen im Publikum verteilen. Als ihm aus dem Publikum ein Flachmann hoch zur Bühne gereicht wird, nimmt der Sänger sie tatsächlich freudig an, öffnet sie, klemmt ihn sich zwischen die Zähne und schluckt den Inhalt auf ex. Respekt!
Immer wieder neue Outfits
Der Sänger kommt immer wieder mit gewechseltem Outfit auf die Bühne, erst ist er ein dunkelroter armfreier Hosenanzug mit viel Strass am Kragen, denn wieder ein weißes Outfit mit viel Gold. Der Mann liebt das Drama. Bei seinen Zwischenansagen klingt das Keyboard wie eine Kirchenorgel, was seinem Auftritt einen gewissen Predigeranschein gibt. Bisweilen tritt er auch in Zwiegespräche mit Leuten vor der Bühne: „Du sieht wunderschön aus“, ruft er einmal. Beim letzten Stück des regulären Sets lodert hinten auf der Bühne in voller Breite ein Feuer. Was für ein Abgang!
Acht der insgesamt 14 Stücke des Abends stammen vom aktuellen Album „Starcatcher“. Der Sound ist stark von klassischen Rockbands der 1970er Jahre beeinflusst, insbesondere von Led Zeppelin. Schon der Opener „The Falling Sky“ beginnt zwar mit ganz leisen Country-Anklängen, wird dann vom harten Bluesrock gleich überrannt, und der leidenschaftliche Gesang mit den wilden Schreimomenten erinnert einfach an den jungen Robert Plant. Der Song hat die richtige Dynamik, um das Publikum sofort zu umgarnen.
Hohe und ausdrucksstarke Gesangslinien
Greta Van Fleet’s Musik zeichnet sich durch kraftvolle Gitarrenriffs, hohe und ausdrucksstarke Gesangslinien sowie dynamische Rhythmussektionen aus. Die Assoziationen zu legendären Rockbands wie The Who, Cream und Aerosmith werden immer wieder offenbar. Beeindruckend, was für eine Power die Band ausdückt. Schon beim zweiten Stück „The Indigo Streak“ kann man nur fasziniert sich von diesen Jungs. „Sogar der Himmel lauscht“, heißt es da so treffend in einer Zeile. „Über dem Zyklon/ Der indigofarbene Streifen, der zum Auge wird“.
„Caravel“ vom Album „The Battle at Garden’s Gate“ (2021) ist auch so ein Beispiel für diese unfassbare Reife, Fantasie und Musikalität der Band. Text, Musik, Druck, Gesang, Gitarreneinsatz – da stimmt einfach alles. Headbanger kommen ebenso zu ihrem Recht wie Rockfans der alten Schule. Diese leichten Anklänge zum Psychedelic-Rock zu den Lichtspielen … einfach hinreißend!
Energiegeladene Liveshow
Die Bandmitglieder haben ja selbst immer wieder angegeben, dass sie stark von der Musik ihrer Eltern beeinflusst wurden, die sie in jungen Jahren gehört haben. Besonders die musikalische Erziehung und das Umfeld, in dem sie aufwuchsen, haben sie dazu inspiriert, selbst Musik zu machen.
Die Liveshow ist energiegeladen und leidenschaftlich, besonders ihre Fähigkeit, noch durch Improvisierungen ihren Songs neue Dimensionen zu verleihen, machen das Konzert zum Ereignis. Dazu Josh Kiszka’s charismatische Bühnenpräsenz und sein beeindruckender Gesang. „Meeting the Master“ ist ja schon auf dem Album eine unter die Haut gehende Ballade, live ist das kaum zu beschreiben. Gerade hier bin ich über die gute Soundqualität auf dem Platz echt froh.
2017 erstmals international aufgefallen
Greta Van Fleet erlangte 2017 erstmals größere Aufmerksamkeit mit ihrer Debüt-EP „Black Smoke Rising“, die die Hit-Single „Highway Tune“ enthielt. Der Song erreichte Platz 1 der Billboard Mainstream Rock Charts und brachte der Band einen schnellen Aufstieg in der Rockszene.
Ihr erstes vollständiges Album „Anthem of the Peaceful Army“ wurde 2018 veröffentlicht und erhielt gemischte Kritiken. Trotz der Kritik an ihrer Ähnlichkeit zu Led Zeppelin, fand das Album großen kommerziellen Erfolg und festigte ihre Position als eine der aufstrebenden Rockbands der neuen Generation. Der Vergleich mit Zeppelin nervt die Band vielleicht, dennoch kommt man nicht umhin, sie mit den Vorreitern des harten Rock zu vergleichen. Es ist insbesondere diese Leidenschaft bei aller Härte der Grundhaltung, die den Vergleich immer wieder so nötig macht.
Eigenen Weg im modernen Rock gefunden
Mit ihrem zweiten Studioalbum „The Battle at Garden’s Gate“ aus dem Jahr 2021 zeigte die Band eine Weiterentwicklung ihres Sounds. Das Album zeichnet sich durch komplexere Kompositionen und tiefgründigere Texte aus, die auf den spirituellen und mystischen Themen basieren, die die Band erkundet. Neben „Caravel“ hören wir glücklicherweise noch „Heat Above“ und „Light My Love“ daraus.
Greta Van Fleet hat ihren eigenen Weg im modernen Rock gefunden. Das wird an diesem Abend ganz klar. Sie haben bewiesen, dass klassischer Rock auch im 21. Jahrhundert relevant und ansprechend sein kann, indem sie sowohl die Tradition respektieren als auch ihre eigene Stimme und ihren Stil einbringen. Toller Auftritt!!