Von Dylan C. Akalin
Es sind gerademal ein paar Takte von „Holding Back the Years“ gespielt, da hört der Mann mit der leicht abgewetzten hellen Jeans und dem schwarzen T-Shirt abrupt zu singen auf. Er streckt den Arm aus und zeigt auf einen Mann auf der linken Seite vor der Bühne: „Relax or get out!“, ruft Mick Hucknall. „Es ist deine Entscheidung. Entweder du beruhigst dich oder du ziehst ab! Auf Simply Red-Konzerten gibt es keine Grobheit, nur Freundlichkeit und Güte.“ Offenbar war der Tumult damit erledigt. Den Rest der insgesamt 93 Minuten langen Show genossen 8300 Fans auf dem KunstRasen Bonn in chillig-ausgelassener Atmosphäre.
Das einstige Feuerrot der Haare des 63-Jährigen ist mittlerweile eher einem Rost-Blond gewichen. Doch die Stimme des Sängers und Hitmachers Mick Hucknall ist nach wie vor brillant. Das ist bewundernswert, wie das möglich ist. Da ist Kraft, da ist Präsenz – und das Charisma ist ebenfalls noch in dieser charakteristischen Soulstimme.
Mick Hucknall hat es noch drauf
Die Freude im Publikum ist spürbar, als die Band Punkt 20 Uhr auf die Bühne tritt. Seit der Gründung der Band im Jahr 1985 hat Simply Red unter der Leitung von Mick Hucknall mehr als 50 Millionen Alben verkauft und Fans aus allen Generationen gewonnen. Klar überwiegen die 50- bis 70-Jährigen im Publikum, und doch gibt es auch noch jede Menge junge Leute, die Simply Red sehen, diese einzigartige Stimme von Mick Hucknall hören wollen.
Nach „Better With You“ aus dem aktuellen Album kommen aber Schlag auf Schlag die alten Hits: „Thrill Me“ mit prägnanten Bläsersätzen und zwei Sax-Solos, „Fake“, der leichte mit Funk untergerührte Popsong mit der schrägen Instrumental-Bridge und dem Rhythmus a la Steely Dan „A New Flame“ und der Reggae „Night Nurse“.
Fantastische Band
Die Musik von Simply Red wird aber nicht nur von ihrem wunderbaren Frontmann getragen. Was die Band da macht, ist gut gekühlter Champagner: elegant prickelnd und spritzig. Gitarrist Kenji Suzuki weiß die Rhythmusgitarre auf der Spitze einer Stecknadel zu spielen und wenn nötig auch mal ein paar rockige Linien beizusteuern. Bassist Steve Lewinson und Drummer Roman Roth sorgen für einen geschmeidigen Rhythmuspart. Keyboarder Gary Sanctuary sorgt mitunter für Acid-Jazz-Akzente. Fast von Anfang an dabei ist der Saxophonist und Keyboarder Ian Kirkham, der auch schon mal zum EWI greift. An der Trompete, den Percussions und zwischendurch auch mal als Leadsänger vervollständigt Kevin Robinson die feine Truppe. Die Saxophoneinlagen bei „Thrill Me“ oder „Ain’t That a Lot of Love“ sind sensationell, Robinson setzt mit der Trompete ebenso Betonungen, etwa ein an Tom Harrell erinnerndes Solo bei „Shades 22“, und bei „Come to My Aid“ liefern sich die beiden ein fantastisches Instrumentalduell.
Mick ist fantastisch gut gelaunt, tänzelt auf der Bühne und hat sichtlich Spaß am Auftritt. Zum Barry White-Klassiker „It’s Only Love“ lässt er die Stimme auch mal in tiefen Registern brummen und schickt am Schluss des Songs Kussmünder gen Himmel.
Hommage an Tina Turner
Spätestens bei „Stars“ muss jeder erkennen, wie straff arrangiert, wie eng disponiert die Kompositionen sind. Da sitzt alles, wo es hinmuss, da ist kaum ein Millimeter Platz für Abweichung oder Ergänzung: Die Songs sind einfach so gut wie sie sind. Der stets auserlesene Rhythmus, der Aufbau der Songs sind genial, einzig beim letzten Stück des Sets „Fairground“ fällt die etwas belanglose Instrumentierung zur wunderbaren Melodieführung auf. Aber… geschenkt!
Die Songs leben von der Leichtigkeit des Ausdrucks, in dem Elemente aus Soul, Funk, Jazz und Reggae eine schmeichelhafte Melange eingehen, bei „Sunrise“ kommt noch dieses Moment aus elektronischer Musik und Acid-Jazz mit hinein.
Die drei Stücke als Zugabe haben es nochmal richtig in sich: „Money’s Too Tight (To Mention)“, die Hommage an Tina Turner „Nutbush City Limits“ und zum Schluss der Singalong „If You Don’t Know Me by Now“, auf den wohl jeder auf dem Platz gewartet hat. Ein wunderschön entspannter sommerlicher Konzertabend geht um 21.33 Uhr zu Ende.