Die Pixies auf dem Roncalliplatz in Köln, die Fans waren beglückt. Zu recht?
Von Dylan Akalin
Es hat schon etwas von einer merkwürdigen Spitzfindigkeit, wenn die Pixies ausgerechnet vor einer der massivsten Demonstrationen des Katholizismus auftreten. Mit dem Kölner Dom im Hintergrund singen sie von Huren, die ihnen im Kopf schwirren, von biblischen Morden, von Suizid, Tod und Teufel. Und die Menge feiert sie am Samstagabend vor dieser grandiosen Kulisse, schon als die Band die Bühne betritt, während noch aus dem Off „Young and Joyful Bandit“ der Dresdner Rockband Die Arbeit läuft und Black Francis leise mitsingt. Als dann die einförmigen Bluesrock-Akkorde von „Cactus“ starten, ist das Publikum im Pixies-Modus. Bei „River Euphrates“, das mit dem leiernden „Ride, ride, ride, ride“ beginnt, hat Black Francis seinen ersten vokalen Ausbruch, Paz Lenchantin übernimmt die Führung mit ihrem dominierenden Bass.
Der erste Massenchor nimmt seine Arbeit beim vierten Stück auf: „This monkey’s gone to heaven“ erklingt aus fast allen 3200 Kehlen auf dem Platz. „Guy“ singt Black Francis eher wie „God“ aus. Der Song ist für mich der erste Gänsehautmoment, auch weil die Band ihn so eindringlich spielt. „Monkey Gone to Heaven“ vom 1989er Album „Doolittle“ thematisiert Umweltprobleme, die Zerstörung der Ozonschicht, die Vermüllung des Planeten und verbindet sie mit der biblischen Numerologie („Der Teufel ist sechs, Gott ist sieben“). Der Song über die zerstörerischen Auswirkungen des Menschen auf die Umwelt und die globale Erwärmung („Alles wird brennen…“) kann heute nicht aktueller sein als vor 33 Jahren, und das Gefühl der Wut darüber kommt in dem Song ziemlich gut rüber.
„Human Crime“
„Human Crime“, die aktuelle Single der Pixies, erinnert mich an Giant Sand mit seinem entrückten Gesang. Die Pixies sind ein Phänomen. Nach wenigen Jahren löst sich die Band auf und kommt dann gut 30 Jahre später wieder zusammen. Mit dieser außergewöhnliche Mischung aus Surfrock, Hardcore-Punk, lateinamerikanischen Vibes und den wechselnden Dynamiken hatten die Bostoner einen enormen Einfluss auf etliche Bands, vor allem aus der Grunge-Szene. Ausgerechnet in der Zeit, als Bands wie Nirvana (Kurt Cobain war ein glühender Verehrer der Pixies) den Grunge erfolgreich machen, löst sich die Band auf. Sänger/Gitarrist Charles Thompson IV, einst bekannt als Black Francis, dann Frank Black, hat von seinem eindrucksvollen Gesang nichts verloren. Schlagzeuger David Lovering, der zwischendurch als Magier sein Geld verdiente, hat eine eindrucksvolle, präsente Dynamik, die zeitweise an Psychedelic-Rock-Moves erinnert, und Gitarrist Joey Santiago ist einfallsreich wie nie, wenn es um kurze Soli oder seltsame Klangeffekte geht. Kim Deal ist bekanntlich nicht mehr bei der Besetzung, dafür hat die Band aber die argentinisch-amerikanische Paz Lenchantin, die unter anderem auch für A Perfect Circle spielt, dabei, und die Frau füllt die musikalische Rolle der Bassistin und auch bei einigen Stücken als Hauptsängerin („Gigantic“) souverän aus.
Obwohl die Pixies seit ihrer Neugründung im Jahr 2004 ja schon ein paar coole Alben herausgebracht haben, spielen sie daraus nur sehr wenige Stücke, das meiste von den 38 Songs des Abends stammt aus der Frühzeit der Band. Vom kommenden Album „Doggerel“ spielen sie immerhin vier Nummern.
„Gouge Away“
„Gouge Away“ ist einfach majestätisch, ebenso das Cover von The Jesus And Mary Chain „Head On“, das mit einem gigantischen Gitarrenlärm die Fans umhaut. Wilde Stürme entfacht die Bands mit „Isla de Encanta“. Davor beeindruckt die Band mit gewaltigen Interpretationen von „Broken Face“ (ein weiterer Singalong), „Crackity Jones“ und mit „Debaser“ in der Zugabe. Bei „Caribou“ wird deutlich, warum Kurt Cobain die Band so liebte, der Song könnte glatt als Nirvana-Nummer durchgehen, auch der teilweise brüllende Gesang von Black Francis. Hammer!
Es gibt auch ruhige Momente, etwa bei „Hey“ oder „Wave of Mutilation“, für mich eine wunderschöne Fassung voller Hingabe zur fortgeschrittenen Stunde. „Planet of Sound“ war eines meiner persönlichen Highlights, weil es einen Aufbau hatte, als würde eine Maschine zum Start ansetzen, das Gitarrensolo riss mich einfach um, und der Gesang blies einem den Druck regelrecht ins Gesicht. „Vault of Heaven“ hatte mit seinem schleppenden Rhythmus ein wenig Americana in den Adern.
38 Songs in zwei Stunden
38 Songs in zwei Stunden, das ist schon eine Hausnummer. Aber die Band ist ja bekannt für ihre kurzen Songs, die aber alle ihre Kühnheit beibehalten haben. Was mir auch gefällt: Wie bei einem Pixies-Gig üblich, gibt es zwischen den Songs kein langes Geplänkel, sondern Musik ohne Ende, die Stücke gehen teilweise ineinander über, so dass den Fans kaum Zeit zum Verschnaufen bleibt. Aber, hey, wer will das schon, wenn die Pixies da sind? Ach ja, natürlich spielen sie auch ihren bekanntesten Song „Where Is My Mind?“ Die Setlist ist super zusammengestellt, finde ich. Der bekannte Song folgt auf „Wave of Mutilation“, und die Menge singt ihn selbstredend mit. Der Song kommt eine Spur ruhiger als im Original, und die Gitarre bohrt sich so eindringlich in jede Pore der Haut, dass es ein einziges Glücksgefühl ist. Was kann da noch folgen? Neil Youngs „Winterlong“ als letzter Song mit einem schrägen Gitarrensolo, das auch Neil gefallen hätte, und „Debaser“ als Zugabe. Bis bald, Pixies!