Meine persönliche magische Wolke hob mich um 20.38 Uhr in die Höhe. Davor war Sting mit seiner Band auch schon phänomenal, die Songauswahl, die Stimmung, die Präsens – alles stimmte. Schon der Start des Konzerts auf dem KunstRasen Bonn am Sonntagabend mit „Message in a Bottle“ war an sich ja bereits eine anregende Überraschung. Lange genug haben wir ja auf ihn warten müssen. 2019 konnte er wegen einer Erkrankung nicht auftreten, dann kam Corona… Das Warten hat sich gelohnt.
Von Dylan Akalin
Um 19.59 Uhr betritt Gordon Sumner, genannt Sting, die Bühne. Enge schwarze Hose, hohe Docs, schwarz-rot gestreiftes T-Shirt, darüber eine knallgelbe Jacke und seinen abgewetzten 1953er Fender Precision Bass im Arm. Neben sich auf der Bühne den goldenen grinsenden Ludwig van. Der 70-Jährige ist glänzend gelaunt. Dauerlächeln auch bei „Englishman in New York“ als jazziger Reggae. Das Mundharmonikaspiel von Shane Sager fällt gleich auf und erinnert frappierend an den soulig, melodischen Stil von Stevie Wonder, über den Sting später sagen wird, dass er sich bei Wonder immer auf seinen Mundharmonikaeinsatz gefreut habe. Hier gibt es den ersten rhythmischen Break und Gelegenheit für die fast 10.000 Fans im Takt zu klatschen.
„Every Little Thing She Does Is Magic“ ist dann schon der zweite Police-Song. Sanfter Gitarreneinsatz von Dominic Miller, dessen Sohn Rufus die zweite Gitarre spielt, zu zurückhaltenden Drums, gespielt auf dem Rahmen der Snare von Zach Jones. Eher in Richtung Soulpop geht „If You Love Somebody“ mit einem sehr jazzigen Solo auf der Mundharmonika. Jazzig hat Sting auch „If it’s Love“ für die Bühne arrangiert. Dafür kommt „Rushing Water“ als ruhige Nummer.
„Every Breath You Take“
Die ganze Inszenierung wird begleitet von geschmackvollem, sparsamem Lichteinsatz und Videosequenzen auf der Bühnenrückwand. „Zu Fields of Gold“ erscheinen im Hintergrund spärlich beleuchtete Kirchenfenster, zu „Every Breath You Take“ erscheint ein Auge, wie als würde es durch ein Schlüsselloch blicken.
Der eigentliche Zauber beginnt mit einer Mundharmonika, die kurz einen Blueslick anspielt, ganz im Sinne des großartigen Stevie Wonder, und so kündigt Sting den Song auch an. Im Hintergrund sehen wir die Silhouetten New Yorks, etwas undeutlich, wie an einem diesigen Morgengrauen. Die ersten Zeilen, sparsam instrumental begleitet, treiben den Song vorwärts. Es sind die im Kopf drängenden Gedanken eines Liebenden, die Gedanken an eine vergangene Liebe, die er nicht aus seinem Kopf zu vertreiben vermag. Es ist diese unruhige innere Haltung, ein Zustand zwischen der Euphorie der Liebe und der Schlaf- und Ruhelosigkeit eines Verlassenen, weder Traurigkeit noch Glück, zu lieben überwiegen, und doch ist da ein Drang durch die Straßen zu tanzen. Diese Gefühlslage bringt der Song auf perfekte Weise rüber, ein Song zwischen der Schwere des Blues und der Leichtigkeit eines Soul, der wie auf einem Drahtseil über den Platz balanciert. Wer solch eine Magie live rüberbringen kann, hat mehr als nur Talent. Es ist das Charisma des Sting – und das perfekte Zusammenspiel einer großartigen Band. Ich tanze.
„Shape of My Heart“
Die wunderschöne rosa Brille bleibt auf. Auch bei „Shape of My Heart“ mit dem eindringlichen Akustikgitarrenintro, diesem immer wiederkehrende Lauf und dem coolen Backgroundgesang. Und dann holt Sting Backgroundsänger Gene Nobel als Duett-Partner nach vorne. Das Publikum ist hin und weg, als der Mann mit seiner souligen Stimme einen Gegenpart zum rauchigen Ausdruck von Sting bildet. Was für ein Auftritt. Gänsehaut am ganzen Körper. Sting hat die Reaktion wohl erwartet. Er lächelt zufrieden.
Es folgt ein Block von drei Police-Songs: „Wrapped Around Your Finger“, ruhiger als das Original, mit interessanten Stimmungswechseln im Arrangement zwischen Reggae-Rhythmen und Rock mit Stringeinsätzen. „Walking on the Moon“, weniger kompakt, weniger gepresst als zu Police-Zeiten, offener im Ausdruck, die peitschende Gitarre bleibt im Hintergrund. Dann der einstige Partykracher „So Lonely“, zu dem das Publikum begeistert springt.
„…How fragile we are…“
Orientalische Moods gibt es bei „Desert Rose“, die Bühne ist in tiefes Blau getaucht als „King of Pain“ beginnt und Stings Sohn Joe Sumner, der schon Solo im Vorprogramm zu hören war, dazukommt. Mit „Every Breath You Take“ beendet Sting das reguläre Set.
Zur Zugabe gibt es eine schöne ausgedehnte Fassung von „Roxanne“, und bei „Fragile“ begleitet sich Sting dann selbst an der Akustikgitarre. Um 21.30 Uhr ist alles leider schon vorbei. Auf dem Weg nach Hause bleiben die Zeilen von „Fragile“ im Ohr. „On and on the rain will fall
Like tears from a star, like tears from a star
On and on the rain will say
How fragile we are, how fragile we are
How fragile we are, how fragile we are…“
Die Sting Band
Begleitet wird Sting von einer Band mit Zach Jones (Schlagzeug), Rufus Miller (Gitarre), Dominic Miller (Gitarre), Kevon Webster (Keyboard), Shane Sager (Harmonika) sowie Gene Noble und Melissa Musique (Backing Vocals).
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