Gazpacho in der Kantine Köln: Meister des athmosphärisch dichten Progrock

Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Die norwegische Band Gazpacho steht für einen Progressive Rock, der sich Zeit für das Erzählen einer Geschichte nimmt. Da muss man sich nach dem dynamischen, aufwühlenden Auftritt von Pure Reason Revolution erstmal drauf einstellen. Den Opener macht die ruhige Betrachtung „Fireworker“, der Titeltrack des letzten Albums, das es jetzt auch als Live-Version gibt. Drei Stücke spielt die Band aus diesem Werk, das sich mit dem animalischen, den instinktiven Teil im Menschen auseinandersetzt. Die Band nennt diese Seite des Bewusstseins (oder auch Unterbewusstseins) „Fireworker“, „Lizard“ oder „Space Cowboy“. Ein wunderschönes Konzert einer Band, die längst eine individuelle Stimme entwickelt hat und selbst live eine fesselnde Ausgeglichenheit und Reife zeigt – visuell und musikalisch ein fesselndes Erlebnis.

Von Dylan Cem Akalin

Es zeugt von einer gehörigen Portion Selbstbewusstsein, wenn sich eine Band traut, mit einer so sanften Nummer den Abend zu eröffnen. Aber so ist Gazpacho halt – sie vertraut in sich und ihre Fans. Das Stück erinnert im Gesang bisweilen an A-ha, musikalisch streift die Band Muse, Pink Floyd, Radiohead und Sigur Rós. Das Septett wird wieder einmal ihrem Ruf als Meister des atmosphärisch dichten Artrock gerecht, bei der effektive impulsartige Gefühlsregungen im Vordergrund stehen. Dazu setzt die Band eine vielseitige Mischung aus Gitarren, Geigen, Mandolinen und Keyboards, Soundcollagen und Chöre ein, die den für Gazpacho einzigartigen von norwegischem Folk geprägten progressiven Rock-Sound ausmachen.

Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Emperor Bespoke“ vom Album „Soyuz“ ist solch ein Stück, das Mittelalterrock-Anklänge mit Neo-Prog a la Muse zu einer Gazpacho-Hymne wachsen lässt. Eine melancholische, skandinavisch anmutende Geige führt in „Golem“ ein, zu prägnanten Drums setzt der hauchende Gesang von Jan-Henrik Ohme ein, der wieder mal mit seinen vokalen Leistungen fasziniert.

Einer meiner Highlights – das zwölfminütige „I’ve Been Walking (Part 2)“ aus dem Album „Demon“ mit seinen Drehungen und Wendungen und sagenhaft besonnenen Parts, die einem den Atem anhalten lassen. Ein Paradebeispiel für das Gazpacho-Prinzip, in dem Prog und Alternative Rock mit traditionell skandinavischem melancholischem Flair eine Ehe eingehen und zu der sich symphonischer Prog mit komplexen Strukturen gesellen. In diesem Stück gibt es viel zu entdecken, märchenhafte Lyrics, weinende Geigen und Mandolinen, Operngesang vom Grammophon, verträumte, sparsame Klavierparts, die zum theatralischen Gestus des Gesamtbildes passen.

Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Gazpacho gehören zu den Kreativen, die ihren Ideenreichtum nicht lauthals hinausposaunen, sondern mit einem bescheidenen Selbstbewusstsein pflegen. Die musikalischen Ausbrüche sind wohlüberlegt. Die Texte zeugen von der klugen Nachdenklichkeit.

Die vier ineinander verschlungenen Tracks „Hell Freezes Over“ I-IV („March of Ghosts“) haben einen wirklich schönen, hymnischen Refrain. Wir hören leider nur Teil eins. Die Nummer ist näher dran an einem progressiven Alternative Rock von Anathema oder Porcupine Tree, ein langsamer, schleppender Post-Rock mit melancholischen Melodien und sehnsüchtigem Gesang. Diese Band hat alles, was man sich für ein Liveerlebnis wünscht: einen sagenhaften Sound (der übrigens hinten besser ist als vorne), einen fantastischen Sänger, Gitarrensounds zum Davonfliegen („Upside Down“!), Klangkosmen zum Staunen, Abwechslung und eine Hingabe für das Gesamtprodukt, und die Band ist fantastisch aufeinander eingespielt. Wer Musik fürs Kopfkino liebt, kommt an Gazpacho nicht vorbei.

Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Line-up Gazpacho:

Gesang: Jan-Henrik Ohme
Gitarre: Jon-Arne Vilbo
E-Bass: Kristian Torp
Schlagzeug: Lars-Erik Asp
Keyboard: Thomas Andersen
Violine, Gitarre, Mandoline: Mikael Krømer

Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Setlist Gazpacho Kantine Köln

Fireworker
Emperor Bespoke
Golem
I’ve Been Walking (Part 2)
Clockwork
Hell Freezes Over I
Upside Down
Black Lily
Tick Tock, Part 3
Sapien

Encore:

Vera
Winter Is Never

Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gazpacho in der Kantine Köln FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski