In der Einsamkeit des Lockdowns entstanden: Eliza Shaddad legt Indie-Folk-Meisterwerk „The Woman You Want“ vor

Eliza Shaddad FOTO: Promo/ferryhouse productions/Rough Trade

Eliza Shaddad hat in sieben Ländern gelebt, Jazz und Philosophie studiert, in der Band Clean Bandit gespielt sowie zwei EPs und ein Soloalbum veröffentlicht. Ein reiches, vielseitig inspiriertes Leben – das nun pandemiebedingt für die Produktion ihres neuen Albums komprimiert werden musste.

Zwölf Monate lang verengte sich die Welt von Eliza Shaddad und ihrem Ehemann und Produzenten BJ Jackson auf das eigene Bedroom-Studio im britischen Cornwall, wo nun zunächst aus der Not eine Tugend erwuchs – und dann aus dieser Tugend ein künstlerischer Möglichkeitsraum, in dem jegliche Trennung zwischen sonstigem Leben und Kunst von vorneherein zum Scheitern verurteilt war.

»Es war wirklich sehr intensiv«, sagt Shaddad, «ein ziemliches Auf und Ab der Gefühle. Ein ganzes Jahr lang rund um die Uhr immer zusammen zu sein, war zwar großartig, weil wir einander bedingungslos vertrauen und alle Zeit der Welt hatten, Dinge auszuprobieren. Aber gefühlsmäßig war es nicht immer leicht.« Davon kündet der Titelsong, gleichzeitig das zentrale Stück des Albums, wenn Eliza Shaddad singt: »I can’t be the woman you want right now / Yeah it takes all I have just to be a little kind / And I don’t think I will be like this for long, but I just need a while.«

»The Woman You Want«

»Das ist ein Song über uns beide inmitten des Lockdowns«, sagt Eliza. »Es geht aber auch um die Frage, was für eine Frau ich sein will. Eigentlich stelle ich mir diese Frage mit jedem einzelnen Song. Unabhängige Musikerin zu sein und so hart auf allen Ebenen dafür zu arbeiten, dass die Dinge funktionieren, kann wahnsinnig kraftraubend sein.«

Es geht also nicht zuletzt um gesellschaftliche Erwartungshaltungen an Frauen und darum, das eigene Idealbild mit der Realität zu versöhnen. Ein Ringen, für das Eliza Shaddad auf »The Woman You Want« eine kongeniale musikalische Entsprechung gefunden hat. Immer wieder brechen diese Stücke in unerwartetes Terrain aus, erobern sich neue Räume, eröffnen aus einem steten Fluss heraus neue Perspektiven. Das gilt für die elegante Beiläufigkeit von »The Man I Admire«, das elegische »Waiting Game« mit seinen elektronischen Akzenten, die himmelwärts strebende Kraft der Key-Single »Heaven« oder für das pastorale »Fine & Peachy«.

Schicksalsschläge

Ein weiterer zentraler Song ist »In The Morning (Grandmother Song)«, mit dem Eliza Shaddad die Schicksalsschläge bearbeitet, die sie vor der Produktion zu verkraften hatte: Erst verlor Shaddad binnen weniger Monate beide Großmütter, dann hatten ihre Eltern unabhängig voneinander längere Krankenhausaufenthalte. Die existenzielle Dringlichkeit, die mit solchen Erlebnissen einhergeht, transzendiert »In The Morning (Grandmother Song)« nun in die Unendlichkeit. 

Mit dem bereits als Single ausgekoppelten »Blossom« wendet sich Eliza Shaddad schließlich ihrer sudanesischen Seite zu. Bevor die Sharia im Sudan eingeführt wurde, erlebte das Land von den Sechziger- bis in die Achtzigerjahre hinein eine echte Blütezeit, die heute als das goldene Zeitalter des sudanesischen Pop gilt. Der prägende Sound dieser Musik – grob an synthetische Streicher erinnernde Casio-Sounds – hat seinen Eingang ebenso in »Blossom« gefunden wie die arabische Laute Oud und ein traditioneller weiblicher Freudenschrei.

Und ja, diese flirrende Ode an den Frühling ist tatsächlich die reine Freude! »Blossom« sagt: Auch der längste Winter geht vorbei, auch die schwärzeste Stunde hat nur sechzig Minuten. So hat der stete Wandel aller Dinge schließlich auch einen eindrucksvollen Schlussakkord unter die intensivsten zwölf Monate im Leben von Eliza Shaddad gesetzt. (Quelle: Oktober Promotion)