Leg dich nicht mit dieser Frau an: Mit „No Gods No Masters“ fährt Garbage schwere Geschütze auf

GARBAGE "No Gods No Masters" FOTO: Joseph Cultice

Inhaltlich fährt Garbage ganz schön schwere Geschütze auf. Das romantische Cover eines steinernen Engels führt einen ebenso auf Abwege wie das bonbonpinke Vinyl. Es erinnert etwas an den Umschlag der Single von Joy Division „Love Will Tear Us Apart“. Shirley Manson und ihre Männer wandeln mit ihren Texten auf ähnlich destruktiven Pfaden wie Joy Division, wenn auch mit mehr Wut im Bauch. Garbage weist mit dem Titel „No Gods No Masters“ schon ziemlich genau darauf hin, worum es der Band geht.

Von Dylan Cem Akalin

Beim Start der Platte erklingt ein elektronisches Soundspiel, ganz so als würde man gerade einen Flipper starten. Mechanische Rhythmen, fast maschinelles Stampfen begleitet den leicht verzerrten Gesang – als käme alles direkt aus dem Computer. Der Opener „The Men Who Rule The World“ geht gleich in die Vollen. Es ist die schmutzige Geschichte von Macht, der Einfluss des Geldes, der alles vergiften. Die Wut ist spürbar, gepresst in digital Ausbrüche.

Ungerechtigkeiten im Kapitalismus, Sexismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit, Bigotterie, Männerwahn. Shirley Manson gibt sich kein bisschen versöhnlich, eher im Gegenteil, es sind Songs einer Frau, die einfach die Schnauze voll davon hat, dass sich nichts ändert. Und die Sängerin gibt sich mit ihrer Stimme wandelbar wie ein Mystique bei den X Men. Und musikalisch zieht die Band häufig die Regisgter aus den 90er Jahren, bewegt sich geschickt zwischen subversivem Pop, Rock, New Wave und Industrial. Da klingen die Echos von Siouxie Sioux, The Cure, Joy Division, Depeche Mode, aber auch Pat Benatar, Bowie und sogar Gwen Stefani durch.

„The Creeps“

„The Creeps“ spielt sehr stark mit Mitteln der 90er, insbesondere die Keyboardsounds tun das, wenn sie sich rhythmisch hineinquälen in den Song, ihn aber auch gleichzeitig aufreißen, um diese Mischung aus melodiösen Zwischenteilen und rotzig desillusioniertem Gesang auf eine erkennbare Plattform zu heben. Shirley Manson kommentiert die Geschichte des Tracks über eine besondere Autofahrt in Los Angeles folgendermaßen:

„Das ist mir wirklich passiert. Ich war an einem sehr, sehr tiefen Punkt in meiner Karriere angelangt. Wir waren gerade von Interscope Records gedroppt worden, und ich fühlte mich wie ein Stück Scheiße. Ich war 40 Jahre alt und dachte: ‚Darüber komme ich niemals hinweg. Das ist der Todesstoß. Eine Frau in dieser extrem wettbewerbsorientierten Branche – ich bin am Arsch.‘ Ich fuhr den Los-Feliz-Boulevard entlang, schaute nach rechts und sah ein lebensgroßes Poster von mir, das auf einem Flohmarkt für etwa 15 Dollar verkauft wurde. Es war einfach so demütigend – buchstäblich ein Zeichen.“

„Wolves“

Bei „Uncomfortably Me“ zeigt sie sich von einer selten verletzlichen, verbindlichen Seite. „Wolves“ beginnt musikalisch wie Candy-Pop an Gwen Stefani. Dabei geht es in dem Lied um die zwei Seiten einer Seele und darum, welche ich bereit bin in einer Beziehung zu zeigen. Welche bin ich bereit, zu füttern und welche zu verteidigen? Wie weit kann ich mich in einer Liebesbeziehung öffnen? Die rockigen Ausbrüche und aggressiven Steigerungen am Schluss lassen den Zuckerguss dann ganz schön schnell wieder schmelzen.

„Anonymous XXX“ spinnt den vorherigen Song inhaltlich praktisch weiter. Liebe ist Schmerz, Schmerz ist Liebe, aber worum geht es bei einem One-Night-Stand oder bei gekaufter Liebe? Anonymer Sex bietet absolute Zuneigung mit der Garantie eines klar definierten, kurzen Zeitraums. Liebe und körperliche Lust, die Illusion von Liebe, genussvoll, mit den klaren Vorteilen, die Kontrolle über Nähe und Distanz zu wahren. Es ist Liebe mit emotionaler Sicherheit, wenn auch nur für den Hauch eines Augenblicks. Musikalisch eingängig und poppig.

„Waiting For God“

Die Gesangsstimmt auf „Waiting for God“ klingt, als steckten wir mitten drin in ihrem Kopf, als führte sie uns durch ihre Gedanken. Wie ein Flüstern in einer tropisch heißen Nacht ohne Sternenhimmel. Die Gedanken gehen um Glaube, um Verzweiflung, um die Frage, wo wir uns eigentlich jetzt mit der Gesellschaft befinden. Der erste Teil des Songs könnte durchaus über die heilige Maria und ihren Sohn handeln. Und darüber, welchen Sinn sein Tod eigentlich hatte und ob das für heute noch eine Rolle spielt.

„Godheads“ ist ebenso eindringlich wie schön, als würde Manson einem direkt ins Ohr sprechen. Verführerisch und gefährlich zugleich. Sie dreht den Spieß um, den Machismos. Den Männlichkeitswahn. „Würdest du mich betrügen, wenn ich einen Schwanz hätte? Würdest du ihn mir blasen, wenn ich einen Schwanz hätte?“ Der Song erinnert von der Eindringlichkeit sehr an Depeche Mode.

„A Woman Destroyed“

„A Woman Destroyed“. Leg Dich nicht mit dieser Frau an, schließ deine Tür ab und schafft dir einen Wachhund an. Man hört das Tropfen von Wasser in einer tiefschwarzen Nacht und kann den Angstschweiß geradez riechen, und dann schlägt auch noch die Uhr des Todes. Jetzt singt Manson mit der Überzeugungskraft, mit der man Voodoo-Puppen beschwört.

Dagegen beginnt „Flupping The Bird“ wie ein fröhlicher The Cure-Song. Dabei geht es um eine längst desillusionierte kaputte Beziehung. Eine Beziehung, in der man sich noch nicht einmal zuhört. Was ist, wenn sogar das Selbstwertgefühl des Partners gestorben ist? Schon deswegen ist er so hart zu lieben. Und wenn er dir noch Anweisungen gibt, dann zeig ihm halt den Stinkefinger.

„No Gods No Masters“

Der Titelsong „No Gods No Masters“ ist eine Abrechnung mit der Religion. Schenk dir deine Gebete, heißt es da, denn die funktionieren einfach nicht. Und um was geht es in der Welt? Du willst einfach nur das haben, was ich habe, und ich will das, was du hast. Genau darum dreht sich alles. Deswegen passieren alle Fehler immer wieder und wieder. Es ist eine Welt, in der es keine Regeln gibt, weder von Göttern noch von Herren.

„This City Will Kill You“ ist auf solch einem Album der perfekte Rausschmeißer. Ungewöhnlich orchestral, melancholisch und versöhnlich. Es ist eine Erinnerung, nostalgisch über jene Zeit, als wir jung waren und das Leben voller Freude, Party und einfach nur laut war. Die Nächte wurden zu Tagen, und die Drogen taten ihr Übriges. Und dann wache ich auf und verstehe einfach nicht, warum ich die Einzige bin von damals, die überlebt hat. Ein wunderschön trauriger Song.