Zum zehnten Todestag von Ronnie Dio: Seine letzten vier Alben mit DIO remastert und mit vielen Extras

Ein Geschenk für Hard Rock-Fans – und genau das Richtige, um sich in der öden kontaktfreien Zeit abzulenken. Vier Dio-Alben aus der letzten Ära sind remastert und mit schönem Booklet sowie einer zusätzlichen CD neu herausgegeben worden. Beginnend mit „Angry Machines“ aus dem Jahr 1996, „Magica“ (2000) und „Killing the Dragon“ (2002) und endend mit „Master of the Moon“ aus dem Jahr 2004. Neben den seltenen Studio-Tracks „Electra“ (in „Magica“) und „Prisoner Of Paradise“ (in „Master Of The Moon“) sind auf den Bonus-CDs eine Auswahl sowohl seltener als auch nie zuvor veröffentlichter Live-Tracks aus den Touren zu jeder Studio-Veröffentlichung enthalten. Das ist eine schöne Geste von BMG und Niji Entertainment Group Inc. Zum zehnten Todestag von Dio diese Ausgabe herauszubringen – remastert vom langjährigen Dio-Mitarbeiter Wyn Davis mit aktualisierten Kunstwerken des bevorzugten DIO-Designers Marc Sasso.

Von Dylan Cem Akalin

„Angry Machines“ war nicht das, was die Fans damals aus den Socken gehauen hat. Vielen war das Album von Dio zu düster, zu progressive – was mir persönlich indes gefallen hat. Der schräge Schluss bei „Stay Out of My Mind“ ist doch genial! Und die stotternden Riffs von Tracy G auf „Big Sister“ ebenso. Dio zeigt hier zudem ganz starke Gesangsqualitäten. Kritiker schrieben damals gar, das Album wäre eine „Verzweiflungstat“ von Ronald James Padavona, besser bekannt als Ronnie Dio, gewesen.

Der Heavy Rock war zu jener Zeit nicht gerade auf dem Peek seiner Geschichte. Und ich schätze mal, Dio musste sich schon ziemlich anstrengen, um sich gegen die anderen Genres durchzusetzen. Und viele Fans wollten einfach die alten Stücke hören. Es wunderte also nicht, dass die Songs aus diesem Album auf der Tour 1996 nicht im Mittelpunkt standen. Ich habe die Band damals in der Biskuithalle in Bonn gesehen. Da spielten sie nur „Double Monday“ und „Hunter of the Heart“ vom aktuellen Album. Die Live-Aufnahmen auf der Bonus Disc gibt genau diese Haltung der Band bei der Tour wieder. Schon allein diese Bonus-CD ist es wert, die neue Ausgabe des Werks zu kaufen. Da hören wir beispielsweise Black Sabbaths „Heaven and Hell“ und „The Mob Rules“ und Rainbows „Man on the Silver Mountain“.

ELF, Rainbow und Black Sabbath

Die Karriere von Ronnie Dio ist ja hinlänglich bekannt. Seine Stationen bei ELF, Rainbow und Seine Jahre bei Black Sabbath, was manche Fans als die besten der Dark Rocker bezeichnen. Seine eigene Band Dio legte mit „Holy Diver“ (1983), „The Last In Line“ (1984) und „Sacred Heart“ (1985) einen unglaublichen Start hin. Ich würde sagen, dass dann ab 1987 mit „Dream Evil“ gewissermaßen eine Flaute eintrat. Und mit „Angry Machines“ begann die letzte von vielen Fans verschmähte Phase, begleitet von vielen Konflikten und ständigen Wechseln in der Besetzung. Die vier Alben kommen aber zu Unrecht so schlecht weg.

„Magica“

Magica lebt auch von der erstklassigen Gitarrenarbeit von Craig Goldy, der nach dem Weggang von Tracy G, der an den beiden vorherigen Alben beteiligt war, wieder zu Dio stieß. Und es war auch die Rückkehr des Bassisten Jimmy Bain, der schon seit Rainbows 1976er Album „Rising“ immer wieder mit Ronnie zusammengearbeitet hat. Schließlich waren der Schlagzeuger Simon Wright und Keyboarder Scott Warren dabei.

Magica ist das erste Konzeptalbum in Ronnies Karriere, und es erzählt eine Geschichte, die im Wesentlichen auf dem gleichnamigen mittelalterlichen Planeten abspielt, und natürlich geht es um Gut gegen Böse. Ich finde, dass auf „Magica“ einige der besten Stücke von Ronnie Dio und ein paar von seinen vielschichtigsten und leidenschaftlichsten Vocals  zu hören sind – auch wenn die Songstrukturen bisweilen etwas bizarr sind. Eine Roboterstimme stellt auf „Discovery“ das seltsame Land namens „Magica“ vor und führt zum Titelsong über, der ebenso relativ kurz ist, bevor es dann zum ersten vollständigen Song „Lord of the Last Day“ geht. Die langsame Dark-Metal-Melodie nimmt gleich Kurs auf das geile Gitarrensolo.

Suche nach dem Transzendentalem

Der zärtlichste Moment des Albums (zusammen mit „Otherworld“) ist „As Long As It’s Not About Love“, eine Anti-Ballade, die weit über die Oberflächlichkeit hinausgeht, die sonst solche Songs haben. Der Hammer bei dem Song ist vor das wunderschöne Intro von Craig Goldy, eine sehnsüchtige Suche nach dem Transzendentalem. Ich weiß nicht, was so manche Kritiker an diesem Album zu meckern haben. Ich finde es richtig gut.

„Losing My Insanity“ experimentiert mit verschiedenen Sounds, mit Instrumentierungen, die man k zuschreiben würde. Der Song beginnt mit der Zartheit einer Mandoline, die das Gefühl einer Folklore-Fantasiewelt erzeugt. Ganz großartig, wie sich dieser feinfühlige Akustik-Riff in ein E-Gitarren-Riff wandelt. „Otherworld“ bringt den melancholischen dunklen Sound zurück, mit dem das Album gestartet ist.

Ronnie arbeitete kurz vor seinem Tod an einer Doppel-CD-Fortsetzung dieses Albums mit dem Titel Magica II & III. Leider ist er lange vor Fertigstellung an Magenkrebs gestorben. Daraus ist „Electra“, ein sechsminütiges Epos, das die Geschichte eines neu eingeführten Charakters in die Geschichte erzählen sollte und auf der Bonus-CD. Zu hören ist. Leider fehlt der zweite Track aus dem letzten Projekt „Annica“, ein großartiges Instrumental mit Craig Goldy an der Leadgitarre. Das Stück ist mal vor einigen Jahren auf einer Deluxe-Edition erschienen.

„Killing The Dragon“

„Killing The Dragon“ erschien ursprünglich im Jahr 2002, und Ronnie James Dio (Gesang) hatte diesmal Whitesnake-Gitarristen Doug Aldrich dabei sowie Jimmy Bain (Bass) und Simon Wright (Schlagzeug). Die Bonus-CD enthält sechs Tracks, die live auf der Tour 2002/03 aufgenommen wurden.

Das Album war eine ziemliche Kehrtwende zu alten Tugenden und kam entsprechend besser bei den Hardcore-Fans an. Tatsächlich hat „Killing the Dragon“ auch alles, was ein gutes Metal-Album braucht. Aldrich liefert eine ganze Menge exzellenter Gitarrenarbeit, die Songs über das Böse und Monster liefert Dio mit schreiende Vocals ab. Der Opener geht fantastisch los. „Along Came a Spider“ nimmt etwas von der Dynamik des Openers raus.

Und dann kommt „Scream“ mit einem eingängigen Refrain und umwerfender Gitarre. Der Song erinnert etwas an „Holy Diver“. Es hat diese Pausen, in denen Dio über Bass und Drums singt und von der Gitarre gefolgt wird. Das Lied geht darüber, dass wir eine ganz falsche Vorstellung vom Star-Dasein haben. Äußerlich betrachtet scheinen die Celebrities alle das Leben zu haben, das sich jeder gewöhnliche Mensch wünschen würde. Aber hinter dem falschen Lächeln des Glücks steckt Schmerz. Sie schreien. Ein starkes Album, auf dem indes nicht alle Songs das hohe Niveau halten können.

„Master Of The Moon“

Ursprünglich im Jahr 2004 veröffentlicht, war „Master Of The Moon“ das letzte Studioalbum unter dem Namen der DIO-Band. Craig Goldie kehrt auch für Aldrich zurück, und Jimmy Bain muss wieder Jeff Pilson Platz machen. Mit Scott Warren holt Ronnie auch einen Keyboarder dazu. Simon Wright bleibt am Schlagzeug. Die Bonus-CD enthält fünf Livetracks von der Tour 2004/2005. Dios letztes Album als Solokünstler enthält natürlich wieder die typischen Dio-Texte voller Fantasy und Dunkelheit und setzt dort an, wo das vorherige Album musikalisch aufgehört hat. Allerdings wendet sich Dio wieder ab vom Old-School-Metal.  Auffällig ist der Sound auf diesem Longplayer, der ist fantastisch. Diesmal tritt Ronnie selbst als Produzent auf, und ich finde, er hat ganze Arbeit geleistet. Die Klangqualität und Tiefe war vielleicht nie so gut wie auf diesem Werk.

Der Titeltrack ist ein großartiger Song. Warrens brillante Arbeit auf den Keyboards verleiht ihm eine Doom-Atmosphäre, schwer und sehr dunkel, episch. „The End Of The World“ hat ein Thema aus der Essenz von Himmel und Hölle. „Shivers“ ist sowas wie die versteckte Perle dieses Albums. Es ist, als würde man Rainbow mit dem dunkelsten hypnotischen Schnitt von Black Sabbath mischen. „The Man who would be King“ wird getragen von emotional aufgeladenen Riffs und hat wieder diese dunkle Atmosphäre, die die Keyboards aufbauen. „The Eyes“ könnte auch auf „Angry Machines“ sein, und Living The Lie“ erinnert an den „Dehumanizer“.

Nicht sehr zugänglich

„Death by Love“ enthält eines der besten Soli von Goldy. „In Dream“ klingt wie eine Mischung aus Deep Purples „Perfect Strangers“ mit Black Sabbath mit einem weiteren starken Soloauftritt von Goldy.

Es ist schon richtig, das Album hat nicht diese Ohrwurm-Qualität, ist ziemlich weit weg vom Mainstream-Metal, nicht leicht zugänglich und insgesamt ziemlich komplex. Und genau deshalb finde ich es großartig, weil es spannend und kein bisschen langweilig ist.