Das Lisa Wulff Quartett eröffnet am Freitagabend das zehnte Jazzfest Bonn in der ausverkauften Oper und präsentiert sich als experimentier- und spielfreudige Forscher in der Welt der improvisierten Musik.
Von Dylan Cem Akalin
Das Positive vorweg: Lisa Wulff (Bass), Martin Terens (Klavier), Adrian Hanack (Saxophon) und Silvan Strauß (Schlagzeug) gehören zu der Kategorie von Musikern, die etwas wagen, die sich kühn hineinwerfen in ihre Musik, die ihnen kaum Komfortzonen, kaum Rückzugsmomente bietet – und auch vom Publikum einiges abverlangt. Vor allem Aufmerksamkeit. Das Lisa Wulff Quartett macht keine Musik, die sich aus dem Plüschsessel konsumieren lässt, man muss sich darauf einlassen, muss versuchen, ihnen auf ihren exaltierenden Touren zu folgen.
Was schade ist: Die einzelnen Instrumente sind nicht immer sauber herauszuhören, vor allem als Lisa Wulff bei „M.B.Ride“ zum gitarrenähnlich klingenden Sopranbass greift, überdeckt ihr Spiel der viel zu impulsive Einsatz des Schlagzeugs.
Aufgebrochene Linien
Dabei begann ihr Set mit „Wondrous Strange“ vom aktuellen Album zunächst überaus zart. Wulff entlockt ihrem Kontrabass teils sehr orientalisch klingende Facetten, lediglich begleitet von regentropfengleichen Tönen des Flügels, und Silvan Strauß deutet sein Schlagzeugspiel mehr an, als dass er die Trommeln und Becken klingen lässt –bis Adrian Hanack mit seinem Tenor einsetzt. Dynamisch, wild, während Wulffs Bass rühriger Bass und Martin Terens lyrisches Klavier einen Gegenpart darstellen. Tatsächlich hat „M.B.Ride“ insbesondere in der Schlusssequenz etwas von progrockigen Strukturen, wo Linien aufgebrochen und Rhythmen stammeln.
„Beneath The Surface“ ist vielleicht exemplarisch für den Stil der Band und die Kompositionshaltung der Wulff, wo mal völlig freies Spiel herrscht und verknüpft wird zu melodiösen, fast baladenhaften Momenten, wo Schönheit und musikalische Abgründe sich abwechseln. Das Saxophon schafft zunächst nur lautlose Luftströme, quietscht und röchelt, während Wulff aus ihrem Bass lange Töne mit dem Bogen streicht, Strauß lässt seine Snare klappern, irgendwie läuft alles aus dem Ruder, bis sich alle in einer Ballade wiederfinden. Dabei dominiert das Sax zwischen freiem Ausdruck und Melodienfindung. Das alles dauert nicht lang, und schon werden wir wieder ordentlich durchgerüttelt vom ungestümen Klang des Quartetts.
Eindringlicher Bass
So ähnlich geht es auch bei von einem Walter-Moers-Roman inspirierten „Rumo’s Adventure“ zu, wobei Wulff hier einen wunderschönen, sehr eindringlichen Bass spielt. Einer der Höhepunkte für mich: „Nightmare in Daydreams“, das das Leben eines Jazzmusikers zum Thema hat, wie Wulff erklärt. Die „Tagträume“ überwiegen indes die „Albträume“. Wir hören einen sehr lyrischen Bass und dazu ein zurückhaltendes Schlagzeug, die Bassdrum dominiert, Strauß lässt spielt auf den Kanten seiner Snare, sehr gefühlvoll. Terens tupft Akkorde, Hanack beginnt entsprechend liedhaft, wobei er immer mehr die Rolle des Erzählers in dem Stück übernimmt, sehr organisch, sehr bildhaft. Ein tolles Stück.
„Six To Ten“ erinnert mich von der intelligenten rhythmischen Verspieltheit an King Crimson. Am Rhodes liefert Terens ein durchdachtes Solo, das Ensemble steigert sich in der Expressivität, zu der die wilden Drums gut zur Dynamik passen. „The Wheel“ lebt von der poetischen Kommunikation von Bass und Klavier, „Finally Blue“ von der närrischen Interpretation des Blues. Ein guter Start in die Jazzwochen.