The Bizarre World of Frank Zappa, The Palladium London

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Wir können nicht wissen, wie eine Rockshow von Frank Zappa heute aussehen würde. Wahrscheinlich völlig anders. Aber er hätte seine helle Freude an „The Bizarre World of Frank Zappa“ gehabt. Das Publikum im Palladium London jedenfalls hat die Show mit Zappa als Hologramm sowie Ray White (Gitarre, Gesang), Mike Keneally (Gitarre, Keyboards, Musical Director), Bassist Scott Thunes, Robert Martin (Keyboards, Sax, Gesang), Percussionist Ed Mann und Drummer/Zappa-Archivist Joe Travers begeistert gefeiert.

Von Dylan Cem Akalin

Naja, unter „Hologramm“ stelle ich mir was anderes vor. Die Show unter dem offiziellen Label der Zappa Familienstiftung ist unterhaltsam. Keine Frage. Aber ist das auch „Zappa“? Das merkwürdige ist, dass man die Band zunächst gar nicht wahrnimmt. Denn sie stehen links und rechts von den Leinwänden im Zentrum, im Halbdunkel.

Klar, im Zentrum steht Frank Zappa. Keine Frage! Aber muss man sich dann dermaßen in den Hintergrund stellen? Frank Zappas Konterfei flimmert mal als digitales Pixel-Kunstwerk über die Leinwand, mal als schemenhafter Virtuose, oft als witzige Comicfigur. Aber so begrüßt uns Frank ja auch mit einer metallisch hallenden Stimme, die klingt, als käme sie direkt aus dem Jenseits: „You won’t believe it, but I’m as happy to see you guys as you are to see the show. I’m your resident buffoon and my name is Frank.”

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Der Hanswurst also. Ja, als der Narr der Eulenspiegel gleich der Gesellschaft die lange Nase machte, hat er sich stets gern präsentiert. Und das Publikum genießt die Show in dem wunderschönen Theater am Oxford Circle. Unter den vielen Gästen habe ich übrigens auch Progrock-Lichtgestalt Steven Wilson gesichtet. Außerdem: Carl Palmer, Billy Bragg, Nick Beggs (The Mute Gods, Kajagoogoo) und den ehemaligen XTC-Gitarristen Dave Gregory. Wahrscheinlich waren noch mehr Promis aus der Londoner Szene da.

„Cosmic Debris“ scheppert und hallt

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Die Songauswahl hätte vermutlich jeder Zappa-Musikliebhaber anders getroffen, aber sie war völlig in Ordnung. Was in der Tat ein Leckerbissen für Fans ist: Die eingespielten Gitarrensoli des Meisters, der vor 25 Jahren 53-jährig starb, ist nahezu alles bisher unveröffentlichtes Material. Entsprechend spannend ist in der Tat das „Zusammenspiel“ zwischen dem Off-FZ und der Live-Band, die im Übrigen einfach grandios ist.

„Cosmic Debris“ scheppert und hallt teilweise allerdings ganz furchtbar, aber „Montana“, begleitet von animierter Zahnseide, die sich immer wieder in neue Figuren schlängelt, ist klasse, insbesondere das gewohnt wah-wah-verzerrte Gitarrensolo.

„Trouble Every Day“

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Ein Höhepunkt ist die Inszenierung von „Trouble Every Day“, einst in der frühen 60er Jahren unter dem Eindruck der Rassenunruhen und Bürgerrechtsbewegung unter Martin Luther King entstanden, aber in Brisanz und Aktualität zeitlebens unübertroffen und immer wieder von FZ gespielt – in unheimlich vielen Variationen und Arrangements. Eine der besten Versionen ist sicherlich die auf „Roxy & Elsewhere“. Hier wird die vielschichtige und wilde Musik von Bildcollagen begleitet, Zeitungsausschnitten, Dokumentationen aus etlichen Demonstrationen aus der neueren amerikanischen Geschichte. So politisch ist das Stück vermutlich von FZ selbst nie präsentiert worden – hat er sich doch stets irgendwelchen politischen Vereinnahmungen verweigert (weshalb ihm die Berliner Studentenbewegung Ende der 60er die Anlage demolierte!). Übrigens: fantastisches Saxsolo von Robert Martin.

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

„Penguin in Bondage“, dieser wahnsinnige musikalische Hexenritt, ist teilweise grotesk animiert – da leuchten Neonfratzen, flimmern durch weiße Kokainberge kriechende Nasen, und Zappa selbst sitzt entspannt auf dem Sofa, die unvermeidliche Zigarette in den Fingern, und schaut dem Pinguin beim Gitarrespielen und später dabei zu, wenn er von einer Domina ausgepeitscht wird.

Psychedelische Farben und Formen springen uns entgegen, während Scott Thunes einen wahnsinnigen Basslauf auf „Apostrophe“ spielt, dass die Wände zittern.

„The Evil Prince“

Mike Keneally: The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

„The Evil Prince“ vom 1984er Album „Thing-Fish“ hat ja mit seinem fast gesprochenen, unharmonischen Gesang etwas von einer Moritat. Begleitet wird die Musik mit Ray White als Sänger von den Knetgummi-Animationen von Bruce Bickford aus der TV-Show „A Token of His Extreme“ (1974). Nicht ganz passend, wie ich finde. Das Highlight ist das Gitarrensolo von Mike Keneally, überhaupt ein ganz großartiger Musiker. Und einer, der diese über die üblichen Pentatoniken hinausgehenden Soli von FZ sehr gut adaptiert hat. Keneally spielt vielleicht eine Spur exakter und sauberer, als es FZ je getan hat. Wunderbar auch „Zomby Woof“ – ganz ohne den animierten FZ.

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Mit dem völlig unbekannten Instrumental „#2“ startet das zweite Set und leitet über zu „Why Does It Hurt When I Pee?“ – mit FZ als Dirigent im weißen Frack, auch so eine von ihm geliebte Rolle auf der Bühne. Nach „Peaches en Regalia“ taucht die Band bei „Stink‐Foot“ ins animierte Aquarium. Zappa begegnet uns mal als Muskelprotz am Strand, mal als Castro-Verschnitt, der mit der biologischen Waffe „Stinkefuß“ Amerika droht. Klar, auch FZ auf dem Klo darf nicht fehlen, dafür sendet er uns ein kosmisches Solo aus dem Jenseits, dass die Fans begeistert aufstehen. Irgendwie ist alles bunt hier, alles ein bisschen Dada, aber natürlich mit Augenzwinkern. Und natürlich wird uns wieder einmal deutlich, was für ein Gesamtkunstwerk Zappa uns hinterlassen hat.

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Ein besonderer Augenblick ist, als die Band ein noch nie veröffentlichtes Stück von FZ spielt, das wohl in den 70ern aus Teilen von „Farther O’Blivion“, „Greggery Peccary“ und „Bebop Tango“ entstand. Es beginnt typisch Zappaesk aus einer Mischung aus Reggae, Balladenrock und Avantgarde bis alle Musiker irgendwie losgelöst von allen Strukturen sind und schließlich wieder zueinander finden, um den Rhythmusteppich für ein sagenhaftes Gitarrensolo von Keneally zu bieten, das schließlich von Saxofon und einem space-igen Xylophon abgelöst wird. „The Dangerous Kitchen“ wird mit dem Beginn von „Inca Roads“ eingeleitet, von Ray White sanft gesungen. Zu „Dinah-Moe Humm“ lässt FZ als 70er Jahre-Schmierlappen die Puppen tanzen, „City of Tiny Lites“ wird von nostalgischen Filmaufnahmen der Musiker untermalt. „Dirty Love“ beendet das Konzert.

Ahmet und Diva

Happy Birthday, Ahmet Zappa FOTO: dylan Cem Akalin

Zur Zugabe kommen Zappas Sohn Ahmet und Tochter Diva auf die Bühne und performen „Dead Girls of London“. Die Crew überrascht Ahmet mit Geburtstagskuchen, und dann spielt die Band noch „Cheepnis“ (witzige Monstertrickfilme) und „Camarillo Brillo“.

Für Fans des alten Zappa ist die Show natürlich ein Muss. Man fühlt sich zwischen Lachen und Weinen, zwischen nostalgischem Schwelgen und irritiertem Wundern. Was für das Konzept spricht, ist, dass es mit einem Augenzwinkern präsentiert wird, dass das Konzept der Kontinuität, was FZ selbst verfolgte, tatsächlich aufgegriffen wird – aber mit viel Witz und Fantasie. Zappa fragte mal selbst auf einem Albumtitel „Does Humor Belong in Music?“. Die Antwort  lautet hier eindeutig: Ja!

The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin

Setlist:

Cosmik Debris
Montana
Trouble Every Day
Penguin in Bondage
Apostrophe
The Evil Prince
Zomby Woof

Set 2:

#2
Why Does It Hurt When I Pee?
Peaches en Regalia
Stink‐Foot
Unknown (greggery peccary
The Dangerous Kitchen
Dinah-Moe Humm
City of Tiny Lites
Dirty Love

Encore:

Dead Girls of London (with Ahmet Zappa)
Cheepnis
Camarillo Brillo

Ahmet Zappa FOTO: Dylan Cem Akalin
The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin
Ray White, Scott Thunes and Robert Martin: The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin
The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin
The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin
The Bizzare World of Frank Zappa, The Palladium London FOTO: Dylan Cem Akalin