Eric Clapton in der Royal Albert Hall London – ein unvergesslicher Abend

Eric Clapton in der Royal Albert Hall. Es ist, als wollte der 74-Jährige nochmal beweisen, wieviel Energie in ihm steckt. Er gibt uns in 104 Minuten die ganze Bandbreite seiner Emotionen – den vom schmerzhaften Verlust Gepeinigten („Tears in Heaven“) bis zum virtuosen Rockstar, der seine Gitarre schreien und tanzen lässt, wie kaum ein anderer. Und die Londoner feiern den Mann aus Ripley, Borough of Guildford, wie den König der Löwen. Es ist der Start der Europatour, zwei weitere Konzerte in „seiner“ Royal Albert Hall folgen.

Von Dylan Cem Akalin

Da brennt bei den Fans die bange Frage in der Brust: Wird Eric Clapton noch der Alte sein? Immerhin wurde bei ihm 2013 eine periphere Neuropathie diagnostiziert, eine Nervenkrankheit, die ein Kribbeln in den Extremitäten und schmerzhafte „Schocks“ verursacht, die das Gitarrenspielen und das Spielen erschweren. Und dennoch hat sich der 74-Jährige auf Welttour begeben, kommt gerade aus Japan zurück. Und dann betritt der dreimalige Rock’n’Roll-Hall-of-Fame-Preisträger die Bühne, gefolgt von Schlagzeuger Sonny Emory, Gitarrist Doyle Bramhall II, Keyboarder und Sänger Paul Carrack, Keyboarder Chris Stainton und den Sängerinnen Sharon White und Sharlotte Gibson. Er schnallt die schwarze Fender Stratocaster um, während das Publikum schon aufsteht und ihm zujubelt. Und was spielt er als Eröffnungssong? „Que sera sera“ als hinreißende Ballade in Erinnerung an Doris Day, die an diesem Tag 97-jährig gestorben ist.

Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA

Doch dann folgt schon das wunderbare Blind-Willie-Johnson-Cover „Motherless Children“ mit einem leichten Countryfeeling im Rhythmus, und Clapton spielt ein aufregendes Slide-Gitarren-Solo – mit dem so bekannten, stilvollen Clapton-Sound. Mit diesem und dem nächsten, „Key to the Highway“ von Charles Segar, macht er unmissverständlich klar, wo seine tiefsten Wurzeln liegen: im Blues. Den Song hatte er schon 1970 auf dem Album „Layla and Other Assorted Love Songs“ mit Derek and the Dominos eingespielt. Der Song behält an diesem Abend seinen klassischen Bluescharakter und nach einem Honky Tonk-Piano-Einsatz von Chris Stainton lässt Paul Carrack seine Orgel stöhnen.

Doyle Bramhall II spielt ein fantastisches Solo

Paul Carrack mit
Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA

Wah-wah-verzerrt und wild ist Claptons Solo auf „Pretending“, wie ich ihn lange nicht mehr gehört habe. Und er holt aus der Fender Stratocaster diesen runden, metallenen, fast glockenklaren Sound heraus, als würde er ihn aus weicher Butter schneiden. Doyle Bramhall II spielt ein fantastisches Solo auf „I’m Your Hoochie Coochie Man“, eigentlich ein Song von  Willi Dixon, den ich nicht besonders mag, aber Clapton bringt eine gewisse Schärfe rein, dass der Song eine dynamische Rocknummer wird.

Der leichte Reggae-Rhythmus lässt eigentlich schon erahnen, was jetzt kommt, aber erst als Clapton die bekannten Riffs anschlägt, steht das Publikum fast schon wieder auf den Beinen. „I Shot The Sheriff“ mit einem wahrlich göttlichen Gitarrenpart: Eric Clapton hat seine Fender auf klarem Ton eingestellt. Keine Verzerrung, keine unnötigen Klangveränderungen. Er lässt den reinen Fendersound aus den Saiten knallen, das Solo hat fast die Eleganz und die Esprit eines Flamencos.

Das Akustik-Set beginnt  mit dem schönen „Driftin‘ Blues“ (Johnny Moore’s Three Blazers). Und wie er davon singt, dass er dahintreibt wie ein Schiff auf hoher See und niemanden hat, der sich um ihn sorgt, da denkt man unweigerlich an seine Biografie mit den vielen persönlichen Brüchen und Abstürzen, mit den Selbstzweifeln und den Abgründen, vor denen und in denen er immer wieder stand.

Wo Schmerz und Freude sich vereinen


Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA

Das ist es wahrscheinlich, was die Fans so an ihm lieben. Clapton war und ist keiner, der eine lineare Biografie vorzuweisen hat, er ist einer, der ganz genau weiß, was Schmerz bedeutet. Und vielleicht ist es auch das, wie er diesen unvergleichlichen Gitarrenklang aus seinen Fingern zaubert, ein Klang, der Schmerz und Freude vereint – liegen diese Emotionen doch beide in derselben Tonart. Bramhall spielt bei diesem Stück übrigens ein fast flötenähnliches Solo. Ganz wunderbar. „Nobody Knows You When You’re Down and Out“ swingt geradezu.

Und als der künstliche Rauch auf der Bühne sich in Blau hüllt und die ersten Töne von „Tears In Heaven“ erklingen, ist Carol aus Oxford, die neben mir sitzt, nicht die einzige im Publikum, die die Hand vor Ergriffenheit vor den Mund hält. Es ist eine wunderschöne Version, mit geigenhafter Slidegitarre von Bramhill begleitet. Bei „Change the World“ geht so manche Faust hoch, und als ich bei „Running on Faith“ zurückblicke, schaue ich in die Tränengefüllten Augen eines Fans. Was ist das auch für ein Song, der einen gleich im Knochenmark trifft.

Eric Clapton ist ein Musiker, der zwar in jungen Jahren schon mit Gott verglichen wurde, aber er ist nahbar. Die Fans spüren die Gefühle, die er rüberbringt, auch mit seiner so brüchigen Stimme. Übrigens: Der Mann klingt und spielt in keinster Weise wie ein 74-Jähriger, er kommt so jugendlich, so frisch und energisch rüber, dass man’s wirklich kaum glauben mag.

Die Seele muss mitschwingen


Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA

Egal, ob an der akustischen oder der E-Gitarre: Die Seele muss mitschwingen. Und die Gitarre bleibt immer irgendwie kultiviert. Die Gitarre ist für Clapton wie ein wilder Hengst, den er nicht gänzlich zähmen will, er will ihm genug Freiheit lassen, um seinen Schmerz hinauszuschreien. Bei „Tearing Us Apart“ lässt er seine Gitarre wie auf einem Drahtseil tanzen, während die Band um ihn herum tobt.

„Holy Mother“ ist so ein Beispiel, wo Trauer und Glückseligkeit musikalisch so vereint werden. „Five Long Years“ beginnt der Maestro unter dem grellen Lichtkegel, bevor die Band beispringt. Seine Mitspieler brillieren bei „Crossroads“. Mit „Layla“ beendet Eric Clapton den Abend – und kommt dann für eine mega Version von Prince‘ „Purple Rain“ nochmal auf die Bühne. Ein Abend, der unvergessen bleiben wird – übrigens sein 209. Konzert in der Royal Albert Hall!


Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA

Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA
Eric Clapton in der Royal Alber Hall London FOTO: DCA