Joe Jackson im Gloria Köln: ein magischer Abend

Joe Jackson im Kölner Gloria FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Es gibt Songs, die sind einfach unsterblich. Dazu gehören ganz sicher „Steppin‘ Out“ oder „Is She Really Going Out With Him?“ Das sind Songs, die Joe Jackson mal geschrieben hat. Seine Fans in Köln feiern den 64-Jährige im schon seit Monaten ausverkauften Gloria. Was für ein Publikum! Ohne diese singfesten Fans wäre das grandiose Konzert des Britten nur halb so schön gewesen. Der Britte ist auf Tour und nimmt seine Fans auf eine Tour d’horizon durch vier Dekaden seiner Musik mit. Da wird sogar Veranstalter Ernst Ludwig Hartz ein wenig wehmütig. „1980 habe ich ihn das erste Mal live gehört, 1986 in der Phillipshalle in Düsseldorf veranstaltet“, erzählt er am Rande. Am 26.6.2019 ist Joe Jackson übrigens wieder zu hören: in der schönen Lichtburg in Essen. Tickets

Von Dylan Cem Akalin

Die Songs von Joe Jackson (hier eine Kritik von 2016) gehören für viele zu ihren Soundtracks ihrer Jugend. Und das Schöne daran ist ja, dass Jacksons Musik keine ist, die sich mit der Zeit ausleiert, wie der Gummizug einer alten Unterhose. Die intelligenten und eingängigen Melodien werden nie abgedroschen, und das liegt nicht nur an den ausgeklügelten Arrangements, sondern ganz besonders am intensiven Gesang von Joe Jackson, der wie meistens im hellblauen Anzug mit weißem Hemd und Einstecktuch an den Keyboards sitzt.

Joe Jackson im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Wenn Jackson singt, dann ist es, als würde er die Zeilen schmatzen, die Worte schmecken, sie genussvoll auskosten und insbesondere die Vokale voller Leidenschaft modellieren und ausprägen. Wenn er seine Ahhs und Ohhhs singt, dann malmt sein Unterkiefer die Selbstlaute zu vollendeten Resonanzen. Am Mittwochabend bot er seinen Fans nicht nur zwei Stunden lang ein fantastisches Set mit ausgezeichneten Begleitmusikern, seine Freude und Leidenschaft sprangen wirklich in jedem Song über.

„There’s something going wrong around here“

Gitarrist Teddy Kumpel im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Und gut gelaunt war er auch. Die Alchemie sei ja nichts anderes, als aus Scheiße Gold zu machen, „eben das, was wir hier machen“, witzelt er schon zu Beginn. „Alchemy“ von seinem aktuellen Album ist das Eröffnungsstück, das indes zunächst beginnt wie Musik von einer Tanzkapelle auf einem Kreuzfahrtschiff. Das ändert sich aber schnell. Bei „One More Time“ schafft die Gitarre von Teddy Kumpel eine metallene Funky-Stimmung. Bei „Is she really going out with him“ ist der ganze Saal schon in Partylaune. Der Song, bei dem sich Jackson von „New Rose“ der Punkband The Damned inspirieren ließ, hat so einen ganz leichten Reggae-Rhythmus und klingt wunderbar belebt. Bassist Graham Maby, seit 1979 bei Jackson, und Gitarrist Teddy Kumpel unterstützen Jackson beim mehrstimmigen Gesang. Die Schlusszeile „There’s something going wrong around here“ schmettert der ganze Saal mit.

Der Einstieg in „Another World“ klingt schon verdammt schräg und verquer, und wenn Jackson dazu noch die Zeilen herauspresst und dazu Blockakkorde aus dem E-Piano haut, als hacke er Holz, dann knallen auch die Drums von Schlagzeuger Doug Yowell, dass es keinen unbeteiligt lassen kann.

Ein echter Joe Jackson

Joe Jacksons Drummer Doug Yowell im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Big Black Cloud“ vom aktuellen Album „Fool“ ist ein echter Joe Jackson. Zu den Pianoakkorden kommt die Stimme wie aus der Ferne, und sie schraubt sich kurz vor dem Chorus nochmal in die Höhe, der Bass dröhnt, dass einem die Milz flattert, die Drums sind dramatisch – Joe Jackson weiß wirklich, wie man Emotionen in Klangfarben packt. Ein toller Song voller Spannung. Dagegen ist „Fabulously Absolute“ von selben Album wieder so ein vom Punk überschattetes Werk voller Zorn und Energie.

Joes Weggefährte der ersten Stunde: Graham Maby am Bass im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

„Real Man“, dieser wunderbare Song übers Mannsein in emotionale Ballade gepackt, kommt so organisch, den Chorus übernimmt Teddy Kumpel mit einer Gitarre, die ihre Flügel ausbreitet und davonfliegt – unterstützt vom Publikumschor. Jackson spielt ein kurzes Solo, das fast wie die Melodie einer Spieluhr klingt. „You Guys like to sing!“, ruft Jackson am Ende beeindruckt aus und leitet über in „Stranger Than Fiction“ vom Album Laughter & Lust (1990). Klingt live irgendwie wilder, vor allem beim Orgelexzess, in das Kumpel mit der Gitarre einsteigt. Die Ballade „Drowning“ ist für mich vielleicht das Highlight des Abends, so hingebungsvoll, so voller Schmerz er ihn performt, noch viel intensiver als auf der Platte, ein unglaublicher Trennungssong.

Tänzerisch und jazzig

Den Beatles-Song „Rain“ macht Jackson mit seinen schrägen Akkorden und seiner eigenen Singweise zu seinem eigenen Song. „Invisible Man“ liebt man ja schon wegen der schrägen Rhythmen und dieses hohen, zarten Gesangs zu den perlenden Pianoläufen. Auch „Wasted Time“ ist vom Album „Rain“, seinem Lieblingsalbum, wie er anmerkt. Der Song könnte auch von James Taylor sein.

Tänzerisch und auch etwas jazzig kommt „Fool“ daher, beim Basssolo fast etwas karibisch. Er liebe die Narre der Welt, sagt er, sie seien die eigentlichen Helden, weil sie den Herrschenden die Wahrheit ins Gesicht sagten.

Drei Zugaben

Joe Jackson im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Time for Rock ‚n‘ Roll heißt es dann wieder bei „Sunday Papers“ („Look Sharp!“ 1979), auch unter dem Eindruck des Punks entstanden, dem ein Cover von „King of the World“ (Steely Dan), „You Can’t Get What You Want (Till You Know What You Want)“, „Ode to Joy“, bei dem die Band plötzlich in der Bewegung einfriert, und „I’m the Man“ folgen.

„Steppin‘ Out“ wie im Original

Drei Zugaben folgen, darunter vor allem das unsterbliche „Steppin’ out“ (1982): Sie hätten etwas wirklich radikales vor, sagt Joe Jackson. Sie wollten den Song originalspielen wie auf der Platte. Aber es gebe eine Schwierigkeit: Er habe damals alle Instrumente selbst eingespielt, und das sei live nicht so einfach. Das Wichtigste: die Original Drummachine von damals. Maby spielt das Glockenspiel, Kumpel ein zusätzliches Keyboard. Als dann die ersten Takte vom Hit aus den 80er anläuft, ist die Magie perfekt. Ein toller Abend!

Gitarrist Teddy Kumpel im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Joe Jackson im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Joe Jackson im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Gitarrist Teddy Kumpel im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski
Joe Jackson im Kölner Gloria FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski