
Josh Homme und seine Queens of the Stone Age verwandeln den KunstRasen Bonn in eine Wüstenoase aus Staub, Groove und kontrollierter Lautstärke-Rebellion. 6500 Fans erleben 100 Minuten hypnotischen Rock – mit goldenen Lichtstrahlen, dB-Debatte und einem furiosen Finale.
Von Dylan C. Akalin
Was für ein Abschluss eines grandiosen Konzertes! Die Bühne ist dunkel, die Band wird von blitzenden und pulsierenden weißen Scheinwerfern wie Schattenwesen von hinten oder oben beleuchtet. Dunkle Rauchschwaden ziehen hoch, ein archaisches, schmerzvolles Brüllen, eine kreischende Gitarre, die Drums fett und voll. Nach dem ersten Break wird Drummer Jon Theodore von einem gleißenden weißen Lichtkegel umhüllt, bereit, in die nächste Dimension abgeschossen zu werden. Er schlägt auf die Felle, dass sie drohen zu bersten. Es ist noch lange nicht Schluss. Die Band setzt massiv ein, Josh Homme setzt mit seinem klagenden „A Song for the Dead“ fort, während Troy Van Leeuwen seiner Gitarre himmlisch-satanische Sounds entlockt. Dann ist die Show auf dem KunstRasen Bonn nach genau 100 Minuten aus. Queens of the Stone Age verlassen die Bühne.

Eine Sache lässt Homme offenbar nicht los. Die Band hatte gerade „If I Had A Tail“ gespielt, als er ins Publikum rief: „Hört ihr mich alle?“ Bei der Klärung der dB-Obergrenze im Vorfeld hatte der Frontmann von einer 20.000-Euro-Strafe gehört, die die Veranstalter des KunstRasens an die Stadt Bonn zahlen müssen, weil Lynyrd Skynyrd offenbar acht Minuten länger als die genehmigten 80 Minuten gespielt hatten – und das auch noch sagenhafte ein Dezibel lauter als vorgegeben. „Denkt die Stadt, sie wäre eure Eltern und ihr wüsstet nicht, wie man sich schützt?“, fragt Homme kopfschüttelnd von der Bühne. „Ehrlich gesagt, wäre mir ein Dezibel mehr 10.000 Euro aus der eigenen Tasche wert. Dreht die Lautstärke hoch!“, ruft er unter dem tosenden Applaus der Fans.
Lauter wurde es dann tatsächlich, aber immer noch im tolerablen Bereich, wie der Messbericht am nächsten Morgen klarstellt.
Schnörkellos, dreckig, Garage-lastig
Zurück zum Konzert, das mit dem eher lustigen Riff von „Do It Again“ beginnt – ein perfekter Opener aus der frühen Phase, schnörkellos, dreckig, Garage-lastig. Der weiße Vorhang im Hintergrund schlägt dunkle Falten, als Homme bei „No One Knows“ die ikonischen, leicht dissonanten Linien anschlägt. Der Song, wohl ihr bekanntester, lebt vom Wechsel zwischen tighten Riffs und offenen, schwebenden Passagen – und hier von Theodore, der den legendären Dave-Grohl-Beat mit eigener Wucht füllt.
Schrille Gitarren wie Alarmzeichen leiten „Smooth Sailing“ ein, ein funkiger, dekadenter Groove, bei dem Homme mit hoher Kopfstimme singt – fast Crooner-mäßig, aber mit bissigem Unterton. Orchestrale Sounds bestimmen die Bridge, die Gitarre schraubt sich in immer höhere Sphären, flink, bisweilen schräg, begleitet von gelbem Scheinwerferlicht. Das Ende kommt abrupt, wie ein Kater nach einer langen Nacht.
Josh Homme, der Mann, der aus der Wüste kam
Homme ist eine überragende Persönlichkeit in der Rockszene. Sein Gesangsstil ist meistens tief, trocken und leicht nasal, mit einer fast lässigen, aber gleichzeitig bedrohlichen Färbung – und er kann, wenn er will, andere Register ziehen. Bei „My God Is The Sun“ hat er zu Beginn etwas von Jerry Cantrell (Alice in Chains), warm, melancholisch, introspektiv. Der Walzer nach dem Break ist einfach irre, fast surreal. „Paper Machete“ hingegen hat etwas von den Stone Temple Pilots, und Homme zeigt hier entfernt die Wandelbarkeit eines Scott Weiland – inklusive einer leicht theatralischen Pose. Wie er bei diesem Song von der Seite von goldenen Lichtstrahlen wie durch ein Kirchenfenster beleuchtet wird, ist großartig inszeniert.
Der stille Architekt im Hintergrund
Troy Van Leeuwen ist der stille Architekt im Hintergrund – sein Gitarrenspiel ist oft textural, atmosphärisch, er greift zu Lap-Steel, Keyboards oder Effekten, um die Songs in eine andere Dimension zu tragen. In „The Vampyre of Time and Memory“ und „Carnavoyeur“ zeigt er dieses Talent in voller Breite: fließende Klangflächen, die Hommes Gesang umschmeicheln, während der Text zwischen Fatalismus und bittersüßer Selbstreflexion pendelt.
Michael Shuman am Bass bringt eine kantige, fast postpunkige Energie ein. Bei „Little Sister“ oder „You Think I Ain’t Worth a Dollar, but I Feel Like a Millionaire“ schiebt er die Songs mit knurrigem Drive voran – ähnlich wie in seinen eigenen Bandprojekten.

Homme nutzt viel Dynamik – von hypnotisch-sanften Passagen bis zu aggressiven Ausbrüchen – und legt mehr Wert auf Atmosphäre und Rhythmus als auf makellose Intonation. Das macht seinen Gesang ungemein präsent, authentisch, roh. Er ist ein Meister der Düsternis. Sein Gitarrenspiel ist rifforientiert, minimalistisch, aber schwer groovend. Statt virtuoser Soli setzt er auf repetitive, treibende Patterns, ungewöhnliche Akkordstimmungen und einen rohen, leicht verstimmten Sound, der Spannung erzeugt.
Aufgewachsen in der kalifornischen Wüste, war er früh Teil einer rauen, DIY-orientierten Musikszene (Kyuss, Desert Sessions). Diese Umgebung hat seinen Stil geprägt – eine Mischung aus Reduktion aufs Wesentliche, Experimentierlust und stoischer Härte. Die Musik wirkt oft so staubig, trocken und unbarmherzig wie die Landschaften seiner Heimat. QOTSA bilden die Schnittmenge aus Stoner-Rock, Alternative und einem Schuss Post-Punk-Coolness – irgendwo zwischen Desert-Festival und düsterem Nachtclub.
Was für Texte!
Die Texte sind oft verschlüsselt, vermeiden platte Bekenntnisse, kreisen aber immer wieder um Schmerz, Kontrollverlust, Selbstzerstörung und Isolation. Schon in Kyuss-Zeiten gab es diesen „psychedelischen Wüsten“-Vibe, oft metaphorisch, manchmal wie Traumfragmente aus Euphorie und Absturz. Nach der Trennung von Brody Dalle und einem gesundheitlich schweren Jahr wirkte sein Songwriting noch verletzlicher. Vom poppigeren Villains gab es diesmal nichts zu hören, dafür vier Songs aus In Times New Roman… – darunter „Carnavoyeur“ ( was für ein Text! Dieser makaber-verspielte Blick auf Vergänglichkeit) und „Negative Space“ (ein Song, der wie ein halluzinogener Roadtrip wirkt).
Am Ende steht mit „A Song for the Dead“ ein Inferno, das sich nahtlos in die Reihe großer Rock-Finisher einfügt – nicht weit entfernt von dem Adrenalin, das Soundgarden in ihren besten Momenten entfachten, nur eben staubiger, kantiger, kompromisslos QOTSA.

Setlist Queens of the Stoneage KunstRasen Bonn, 13. August 2025:
Do It Again
No One Knows
Smooth Sailing
My God Is the Sun
Turnin‘ on the Screw
Paper Machete
If I Had a Tail
Negative Space
Misfit Love
Emotion Sickness
The Vampyre of Time and Memory
I Sat by the Ocean
Carnavoyeur
Make It Wit Chu
Little Sister
You Think I Ain’t Worth a Dollar, but I Feel Like a Millionaire
Go With the Flow
A Song for the Dead







