Von Dylan C. Akalin
Am Ende der 136 Minuten langen Show ist Angus Young die Erschöpfung anzusehen. Aber völlig egal. Der Mann mag vielleicht nur eine Körperlänge von 1,57 Meter haben, aber der 69-Jährige hat immer noch genug Energie, um die 57.000 Fans in der Veltins-Arena in Gelsenkirchen zum Ausflippen zu bringen. Hallo? Was war das für ein Schlusssprint, den Angus bei „Let There Be Rock“ hinlegte?
Um diese Zeit hat er schon längst die Krawatte abgelegt, die Jacke und die Mütze seiner obligatorischen grün-samten glänzenden Schuluniform in die Ecke geworfen. Das weiße Haar klebt vor Schweiß an der Stirn, er steht ganz allein vorne auf dem Bühnensteg, konzentriert sich intensiv auf sein wildes Gitarrenspiel. Das weiße Hemd ist hängt aus den kurzen Hosen, und er sieht da irgendwie aus wie ein verspielter Benjamin Button, immer noch rebellisch, immer noch jugendlich trotz des sichtbaren Alters.
Die Bühne ist in leichte, blauen Nebel getaucht, was eine mystische und kraftvolle Atmosphäre schafft. Die Scheinwerfer an der Vorderseite der Bühne sorgen für eine dramatische Beleuchtung, die Angus in den Mittelpunkt stellt und seine Bewegungen hervorhebt. Diese visuelle Inszenierung ist typisch für AC/DC-Konzerte, die bekannt für ihre spektakulären und energiegeladenen Shows sind.
Nein, natürlich ist Angus nicht mehr der 29-jährige Aufrührer des Rock, der mit nacktem Oberkörper über die Bühne fegte wie Speedy Gonzales. Seine bekannten Moves hat er dennoch noch drauf. Und vor allem: Er spielt immer noch eine hinreißende Gitarre.
Faktoren für die anhaltende Popularität von AC/DC
Angus Youngs energiegeladene Performance und seine Bühnenpräsenz sind immer noch wesentliche Faktoren für die anhaltende Popularität von AC/DC. Und dazu gehören auch sein intensives Gitarrenspiel und seine einzigartige Bühnenpersönlichkeit, die das Publikum in den Bann ziehen. Und dennoch hat dieses Bild von Angus, der sich auf den Boden wirft und strampelnd wie ein trotziges Kind die Gitarre immer weiterspielt, auch etwas ungemein Rührendes. Der Mann gibt einfach nicht auf. Und wenn er dann wie ein triumphierender Gladiator auf dem in die Höhe gefahrenen Plateau steht, mitten in einem glitzernden Konfettiregen, die Gitarre hochhält wie der Highlander nach gewonnenem Zweikampf, dann darf der Mann diesen Moment genießen, in dem er von den Fans lautstark gefeiert wird.
Was ist das, was diese australisch-britische Band so populär macht? Wenn ein Vater (ich, Jahrgang 1958) mit seiner Tochter (Jahrgang 1999) zusammen zu einem Konzert gehen, wenn eine Rockband so viele unterschiedliche Menschen zusammenbringt, (übrigens auch ungewöhnlich viele Frauen), dann ist das ein Zeichen dafür, dass sie irgendwas richtig macht.
AC/DC, die legendäre Rockband, die 1973 in Sydney gegründet wurde, bleibt auch nach Jahrzehnten der Aufführung und Produktion von Musik eine bedeutende Kraft in der Musikindustrie. Ihre anhaltende Popularität ist auf eine einzigartige Mischung aus Musikstil, unverwechselbarem Sound und mitreißenden Live-Auftritten zurückzuführen. Und es ist auch diese gewisse Selbstironie, nicht alles so bierernst zu nehmen, was diesen Hardrock so sympathisch macht.
„If You Want Blood (You’ve Got It)“
Der Start ist schon richtig spektakulär. Der Animationsfilm zeigt, wie sie in einem heißen Schlitten in der roten untergehenden Sonne in die Veltins-Arena einfahren. Und schon klingen fett die Riffs zu „If You Want Blood (You’ve Got It)“. Bei „Back in Black“ wechseln die Bilder auf den Screens in Schwarz-Weiß. Ein blutrotes Motorrad erscheint auf den Leinwänden bei „Demon Fire“, Flammen züngeln bei „Shot Down in Flames“ an den Bildern. Die ganze Show wird begleitet von tollen Licht- und Bildeffekten. Das Auge hört mit. Eine dunkle Berglandschaft, durch die blaue Blitze schießen, erscheint auf den riesigen Screens bei „Thunderstruck“, und bei „Have a Drink on Me“ leuchte orangefarbene Felder über der Bühne.
Und dann kündigt der Glockenschlag und die herunterfahrende riesige Kirchenglocke den Song an, auf den viele Fans gewartet haben: „Hells Bells“.
Brian Johnson: Rau, laut, energisch
Und Brian Johnson? Der 76-Jährige ist einfach hinreißend. Mit seinem Käppi, dem schlabberigen schwarzen T-Shirt über der schwarzen Jeans sieht er aus wie ein Kerl, mit dem man gerne an der Theke im Pub steht und sich über Fußball ereifert. Seine stimmliche Kraft, diese heisere, Rauheit sind unverwechselbar. Brian Johnson, der 1980 nach dem tragischen Tod des ursprünglichen Sängers Bon Scott zu AC/DC stieß, hat einen entscheidenden Beitrag zur anhaltenden Popularität und dem musikalischen Erbe der Band geleistet. Seine unverwechselbare Stimme und Bühnenpräsenz halfen sicherlich AC/DC, einige ihrer größten Erfolge zu erzielen und eine neue Ära einzuleiten.
Die rauchige Stimme passt perfekt zum harten, bluesigen Sound von AC/DC. Seine Stimme ist nicht nur laut und energisch, sondern auch erstaunlich ausdrucksstark, was den Liedern eine zusätzliche emotionale Tiefe verleiht – auch wenn die Stimme mittlerweile etwas Rost angesetzt hat. Johnsons Fähigkeit, hohe Töne mit einer rauen Intensität zu singen, hat viele der bekanntesten AC/DC-Hymnen geprägt.
Der Musikstil von AC/DC wird oft als Hardrock oder Bluesrock beschrieben, es sind diese kraftvollen, kantigen Gitarrenriffs, die treibenden Rhythmen und die einfachen, aber einprägsamen Texte – Musik, wie gemacht fürs Stadion, zum Mitsingen, Tanzen, Hüpfen. Die Musik ist geprägt von einer Geradlinigkeit, die Anspruchslosigkeit vortäuscht, roh, aber hymnisch, von einer ansteckenden Energie.
„Highway to Hell“, „Back in Black“
Die Gitarrenriffs von Angus Young und die solide Rhythmusgitarre von seinem verstorbenen Bruder Malcolm Young, dessen Posten mittlerweile sein Neffe Stevie Young übernommen hat, gehören zur Marke AC/DC. Dazu Angus‘ Leadgitarrenarbeit mit ihren schnellen, bluesigen Soli und energiegeladenen Darbietungen.
Was die Fans sicher schätzen, ist diese Konstanz im Konzept: Im Gegensatz zu vielen Bands, die im Laufe der Zeit mit ihrem Sound experimentieren, ist AC/DC in ihrem musikalischen Ansatz bemerkenswert konsequent geblieben. Diese Beständigkeit hat es ihnen ermöglicht, eine treue Fangemeinde aufzubauen, die genau weiß, was sie von einem AC/DC-Album oder -Konzert erwarten kann.
Songs wie „Highway to Hell“, „Back in Black“, „Thunderstruck“ und „You Shook Me All Night Long“ sind zu zeitlosen Rockhymnen geworden, die Generationen überdauern. Die Texte sind einfache, aber wirkungsvolle: Es geht um Rebellion, Freiheit und Rock’n’Roll-Lebensstil. Nicht mehr, nicht weniger.
Stevie Young trägt die Fackel des pochenden Rhythmus-Gitarristen seines Onkels mit Stolz und Konstanz, Schlagzeuger Matt Laug, der Phil Rudd ersetzt, und Bassist Chris Chaney, der für Cliff Williams eingesprungen ist, lassen uns nichts vom AC/DC-Sound vermissen.
Auch etwa Pyrotechnik kommt ins Spiel: Feuerfontänen gibt es bei „Highway to Hell“. Lautes Singalong nicht nur bei „Stiff Upper Lip“ oder „You Shook Me All Night Long“. „Shoot to Thrill“ startet mit ungemein voluminösen Riffs. Eine alte Lok rast uns entgegen bei „Rock ’n‘ Roll Train“. Zu „Whole Lotta Rosie“ räkelt sich eine überdimensionale spärlich gekleidete Neon-Dame.
Zur Zugabe gibt es das hymnische „T.N.T.“ und „For Those About to Rock (We Salute You)“ inklusive der donnernden Kanonen vor den Marshall-Verstärkertürmen. Ein spektakulärer Schluss, mit dem sich unsere Rock-Helden verabschieden. Bei der Energie, die sie noch in sich haben aber sicher nicht für immer. „Goodbye and good riddance to bad luck!“