Es tut einfach gut, Konstantin Wecker zu haben. Irgendwie beruhigend, dass es noch solche Künstler wie ihn gibt, die sich treu bleiben. Und merkwürdigerweise funktioniert auch solch ein adaptierter Text wie Georg Heyms „Der Krieg“ bei Wecker immer noch. Warum? Weil man’s ihm abkauft! Wer Wecker im Sommer auf seiner „Ohne Warum“-Tour erlebt hat und begeistert war von dem Programm, der wird sich jetzt freuen: Das unvergessliche Konzerterlebnis gibt es ab 25. November 2016 auf CD.
Von Cem Akalin
Noch einmal kann man sich mit „Ohne Warum – Live“ mit dem Musiker und seiner großartigen Band zum heiligen Tanz aufmachen. Die Auswahl der insgesamt 16 Stücke umfasst Klassiker wie „Es ist schon in Ordnung“, seinem Opener von vor 30 Jahren – ein Beweis dafür, dass er sich nicht verbiegen lasse, sagte Wecker.
Es gibt auch „Fast ein Held“ und „Wenn unsere Brüder kommen“ sowie aktuelle Songs, darunter „An meine Kinder“, „Der Krieg“, „Ich habe einen Traum“ und „Revolution“ zu hören. Schade nur, dass „Sage Nein!“ nicht auch drauf ist auf dem Album, dieser Song, der dermaßen aktuell ist, der aufrüttelt und Gänsehaut verursacht hat bei seinen Konzerten. So wie auf dem Kunst!Rasen in Bonn.
Die Lieder des 69-jährigen Protestlers vereinen auf musikalische und eindringliche Weise wunderschöne Poesie und kritischen Widerstand, Hingabe, Liebe und Zärtlichkeit, aber auch eine gewisse „gesunde“ Form von Wut. Eine Wut, die Wecker als aufmerksamer Verfolger der Zeitläufte, als kritischer Geist und aufrechter Künstler braucht, um diese Songs, die aus seiner tiefsten Seele zu kommen scheinen, schreiben und singen zu können. „Zwischen Zärtlichkeit und Wut, fasse ich zum Leben Mut“, hat er mal gesungen: „Es gehört beides zusammen“, sagte er mir mal in einem Interview. „Wenn der Zustand der Welt ein anderer wäre, dann würde ich gerne aufs Protestieren verzichten. Wir befinden uns heute in einer Finanzwirtschaft, die alles bestimmt, den Weg von Politikern entscheiden kann. Solange man hellwach ist, sollte man seinen Mund aufmachen. Für Künstler besteht dazu auch eine gewisse Verpflichtung.“ Und weiter: „Ich habe mich immer mehr dem Anarcho-Lager zugehörig gefühlt.“
„Ich habe mich immer mehr dem Anarcho-Lager zugehörig gefühlt.“
Und dass ihn so mancher für einen linksromantischen Träumer halten, das nimmt er fast schon als Kompliment, sagte er beim Konzert in Bonn. Aber eben ein intelligenter. Bei seinem Live-Programm begibt sich der Musiker und Lyriker auf eine tiefdringende Suche nach dem Wunderbaren. Und dies eben ganz „Ohne Warum“. Der Titel entstand aus einem über 300 Jahre alten Gedicht von Angelus Silesius: „Die Ros ist ohn Warum, sie blühet, weil sie blühet. Sie achtet nicht ihrer selbst, fragt nicht, ob man sie siehet.“ Erschaffen wurde das Wortpaar von dem spätmittelalterlichen Philosoph Meister Eckhart, der den Begriff „sunder warumbe“ als Ausdruck mystischen Denkens verstand.
„Wahre Kunst entsteht ohne Berechnung, ohne Überlegung und vielleicht auch ohne Sinn. Sie ist einfach da“, so Konstantin Wecker. Für den 69-Jährigen, der seit über 40 Jahren auf der Bühne steht und unter anderem 25 Studio- sowie 17 Live-Alben veröffentlicht hat, haben die Worte deshalb bis zum heutigen Tag nichts an Zauber und Wahrheit verloren. Und sie begeisterten auch die vielen tausend Besucher seiner Tournee. Und nun auch die Hörer der Live-CD, die im Münchner Label „Sturm&Klang“ (S+K 025) erschienen ist.
Auf dem Album findet sich auch eine ironische Version des alten deutschen Volksliedes „Die Gedanken sind frei“, der 1780 als Text zum ersten Mal auf Flugblättern veröffentlicht wurde. Doch sind sie wirklich noch frei? Noch immer prangert der unerschütterliche Pazifist, der auf dem Album auch Novalis und Hugo von Hofmannsthal zu Wort kommen lässt, soziale Missstände, Unterdrückung, menschliche Kälte und barbarische Kriege an.
Neben der durchdringenden Kraft der Worte tragen Konstantin Weckers treue Wegbegleiter, der Pianist Jo Barnikel, die bezaubernde Cellistin Fany Kammerlander, die Multiinstrumentalisten Wolfgang Gleixner und Jens Fischer Rodrian sowie der Ausnahme-Gitarrist Severin Trogbacher dazu bei, dass „Ohne Warum – Live“ zu einem mitreißenden und auch aufwühlenden Musikerlebnis wird, das unter die Haut geht und die Seele berührt. Für eine noch sehr lange Zeit. Und ganz ohne Warum.