Deep Purple hat Peter „Beppo“ Szymanski 1970 zweimal gesehen. Einmal in der Sporthalle Köln beim Progressive Pop Festival, wo unter anderen auch Steamhammer, Yes, Softmachine, The Kinks und viele andere auftraten. Und dann zwei Monate später in den Sartory Sälen (Eintritt: 6 Mark). „April“ haben sie bei beiden Konzerten nicht, aber beim zweiten immerhin „Child in Time“. Ob sie heute April spielen, fragt sich Szymanski, während er für JazzandRock die Fotos vom Konzert auf dem KunstRasen schießt. Eins vorweg: Am Ende der 95-minütigen Show sagt er: „Ich bin zufrieden.“ Und die anderen gut 5000 Fans auf dem Platz sicher auch. Zuvor spielten Electric Circus und Devon Allman Project.
Von Dylan Cem Akalin
Fangen wir mit einer Enttäuschung an. Einer kleinen. 2013 hat Deep Purple genau an dieser Stelle schon mal gestanden. Und wie bei jedem DP-Konzert natürlich „Smoke on the Water“ gespielt. Ein unvergessenes Konzert. Auch weil Steve Morse damals noch Warren Haynes (Gov’t Mule, Allman Brothers Band) auf die Bühne holte. Devon Allman ist an diesem Dienstagabend leider nicht dabei. Hätte mich außerordentlich gefreut.
Ums auch gleich zu sagen: Deep Purple 2022 ist natürlich eine andere Rockband als 1970. Ian Gillan hat bei „Highway Star“ deutliche Schwierigkeiten in den Höhen, dafür liegt die Tonart von „When a Blind Man Cries“ genau in seiner Komfortzone und kommt sensationell rüber. Überhaupt spielt das Album „Machine Head“ von 1972 heute Abend die Hauptrolle. Ian Gillan ist trotz seiner 76 Jahre richtig präsent, seine ausgeprägte Stimme ist da. Dass sie immer wieder kleine Auszeiten braucht und dafür die Band etwas mehr Raum für ausgedehnte Improvisationseinsätze bekommt, macht den Genuss nicht geringer. Das ist Deep Purple auf der Bühne, Rock und Metal-Pioniere der ersten Stunde, und wahrscheinlich hat kaum ein anderer Sänger so viel Einfluss auf den vokalen Rock gehabt wie Ian Gillan. Ich habe den Auftritt der Haudegen jedenfalls genossen, auch wenn die Zeiten für „Child in Time“ wohl vorbei sind. Wenn ich nicht ganz falsch liege, hat die Band den Klassiker (und absoluten Lieblingssong von Lars Ulrich von Metallica) wohl auf der Tour 2002 zuletzt live performt.
Klar waren an diesem Abend auch alle Augen (und Ohren) auf Simon McBride gerichtet, der auf dieser Tour Steve Morse vertritt. Morse ist zu Hause bei seiner erkrankten Frau. Die Bewährungsprobe hat McBride aber gleich mit dem ersten Solo auf „Highway Star“ bestanden. Und auch bei „Pictures of Home“ zeigt sich der 43-jährige Ire beim Spiel auf seiner schönen, weißen PRS (Paul Reed Smith) eher von der Schule Steve Morse als Richie Blackmore: ziemlich flink, sehr virtuos und kunstfertig in seinen Läufen, wenn er mit ausgestrecktem Bein am Bühnenrand steht und in die Saiten haut.
Vom aktuellen, wirklich starken Album „Whoosh!“ spielen sie „No Need to Shout“ und „Nothing at All“. Letzteren Song kündigt Gillan an: „Jetzt kommt richtiger Heavy Metal… nicht wirklich. Es ist ein Stück über Mutter Natur.“ Dieser Track handelt tatsächlich von der globalen Erwärmung. Die Musikidee kam der Gruppe, als sie in Deutschland arbeiteten, aber Gillan schrieb den Text in Nashville, wo die Band das Album aufnahmen. In einem Interview erklärte er einmal, wie sehr er die Nummer liebe: „Der Wechsel zwischen der Gitarre und den Keyboards hat eine irgendwie kapriziöse Stimmung. Er ist frech und schelmisch. Eines Nachts, als ich in meinem kleinen Häuschen am Cumberland River gegenüber der Grand Ole Opry saß, wo ich die Musik hören konnte, dachte ich: Wir sind in einer ziemlich prekären Situation und nehmen sie nicht ernst genug.“ Tatsächlich arbeitet Keyboarder Don Airey hier mit vielen klassischen Elementen und das Zusammenspiel zwischen Orgel und Gitarre ist besonders reizvoll.
„Uncommon Man“
„Uncommon Man“ aus dem Album „Now What?!“ widmete die Band ihrem langjährigen, verstorbenen Keyboarder Jon Lord. Dazu spielte McBride ein schönes Intro, bei dem er den Sound der Gitarre mit dem Volumepedal modulierte. Der Klang wird breiter, symphonischer, satte Bässe stellen sich dazu, das Gitarrenspiel wird filigraner, bis die Keyboards mit einer Fanfare den Sänger begrüßen. Eine starke Nummer. So wie auch die von Donnern begleitete Keyboardeinleitung zu „Lazy“, bei dem Gillan auch die Mundharmonika auspackte. Etwas stürmischer und rauer geht die Band „Time for Bedlam“ an. Das darauffolgende Keyboardsolo hätte ich mir entsprechend einschneidender, rockiger gewünscht. Stattdessen präsentierte Don Airey dem Bonner Publikum ein Beethoven-Medley. Kann man machen. Muss man aber nicht. Immerhin folgt dann eine richtig gute Überleitung zu „Perfect Stranger“, eine Salve von bedrohlichen Sounds, als würde ein Hubschrauberangriff erfolgen mit Warnglocken und Bombenhagel inklusive.
„Smoke on the Water“
Starkes Basssolo vom Pirates of the Caribbean der Band „Roger Glover, der richtig gut drauf war an diesem Abend, auf „Space Truckin’“. Von dem immer noch starken und präsenten Ian Paice gab es diesmal leider kein Schlagzeugsolo (aber in der Harmonie hat er eins gespielt). Und dann kam auch schon mit „Smoke on the Water“ der letzte Song des regulären Sets. In der Zugabe gibt es mit „Caught in the Act“ dasauf dem Album „“Turning To Crime“ aufgenommene Medley mit Theman aus „Going Down“, „Green Onions“, „Hot ’Lanta“, „Dazed and Confused“ und Gimme Some Lovin’“, gefolgt vom Orgelorgie-begleiteten „Hush“ mit einem weiteren starken Basssolo und „Black Night“, ein Stück, bei dem die Fans nochmal richtig mitgehen konnten und McBride einen glänzenden Schlusspunkt setzte. Klasse – aber nur 95 Minuten. Ach ja, und „April“ haben sie wieder nicht gespielt. Vielleicht das nächste Mal – und dann mit Widmung für Peter Szymanski.