Plattenkritik: Das zehnte Album der Foo Fighters „Medicine at Midnight“ ist endlich da

Foo Fighters FOTO Danny Clinch

Die Welt hat offenbar auf Neues von den Foo Fighters gewartet. Mit 9,3 Millionen Aufrufen von „Shame Shame“ hat die Rockband um Dave Grohl einen neuen Rekord auf der Billboard Rock Airplay-Tabelle aufgestellt. Es war der schnellste Aufstieg an die Spitze der Charts seit vier Jahren. Nach zwei weiteren Single-Veröffentlichungen ist an diesem Freitag endlich der komplette Longplayer erschienen. Diskussionen um das Album hat es im Vorfeld schon jede Menge gegeben. Wieviel Alternative Rock, wieviel Disco steckt also tatsächlich im zehnten Foo Fighters-Album „Medicine at Midnight“? Ich habe mal genau hingehört.

Von Dylan Cem Akalin

Dave Grohl selbst hat „Medicine at Midnight“ als von David Bowies „Let’s Dance“ beeinflusstes Disco-Album bezeichnet. Entfernt sind tatsächlich ein paar Umrisse jenes Bowie-Werks zu erkennen. Davon abgesehen, dass ich „Let’s Dance“ das schrecklichste Album von Bowie finde, ist es vor allem der Titelsong der erklärt, was Grohl mit Bowie-Anklängen meint: Sogar der Gesang zu Beginn des Stückes erinnert an den eindringlichen Bariton Bowies. Die ganze Haltung des Stückes beschwört mit einer Coolness im Rhythmus diesen leicht synthetischen 80er-Jahre-Disco-Geist herauf.

Aber beim zweiten Durchhören des Albums lässt sich durchaus heraushören, was Dave Grohl, Taylor Hawkins, Nate Mendel, Chris Shiflett, Pat Smear, und Rami Jaffee da offensichtlich im Sinn hatten. Zunächst einmal ist „Medicine at Midnight“ sicher das Album der Foos mit der positivsten Grundhaltung. Es geht um Spaß, darum sein Leben endlich zu leben ohne irgendwelchen Fantasien nachzujagen. In Zeiten von Lockdown, Pandemie und Angst vor Krankheit und Tod tut ein wenig funky Dancefloor-Swing wie in „Cloudspotter“ wirklich gut, und Grohls Vokalausbrüche haben hier eher etwas feierlich Frohes als ängstlich Aggressives.

Eins vorneweg: Es ist ein richtiges Foo Fighters-Album, auch wenn man beim Start des Openers „Making A Fire“ doch ein wenig irritiert und überrascht ist. Die Gitarre und der Groove erinnern an Lenny Kravitz‘ „Fly Away“. Der knackige Riff geht dann über in synkopierte Beats, Klatschen und gospel-poppigen Chor-Gesängen von „Na-nananana-naaa“. Aber insgesamt bleiben die Foos ihrer Linie von großartigen Melodien, hymnischen Refrains und fetten Gitarren treu. Gleichzeitig ist es ein Album, mit dem sie vieler ihrer Helden der Pop- und Rockgeschichte huldigen.

„No Son of Mine“ soll eine Ableitung dem Ace of Spades-Riffs von Motörhead sein, das Eingangsriff ist aber eindeutig eher „Barracuda“ von Heart. Überhaupt werden hier auch Rückschauen auf den Space-Rock angestellt. „Love Dies Young“ weckt Assoziationen an die Glam-Rock-Zeit von Sweet, T-Rex und Slade. „Cloudspotter“ hat mit seiner funky Kante das Feeling des Hair-Rock der 80er, wobei sich die Band mit dem bedeutungslosen Refrain „Sweet, Sweet Guillotine Queen“ mal wieder nicht ganz ernst nimmt. Man kann sich den Spaß vorstellen, den sie beim Schreiben der Stücke gehabt haben müssen. Das Album lebt von der Vielfalt. Und so klingt „Cloudspotter“ so, als würde Jimi Hendrix einen tänzelnden Rock-Beat spielen.

Einer der Highlights auf dem Album ist die akustische Ballade „Waiting on a War“, das vielleicht Foo-typischste Stück auf dieser Neuerscheinung. Untermalt von Streichern transportiert der Song mit einer mitreißenden Melodie eine etwas eigensinnige Botschaft. Grohl selbst erzählt in einem Interview, dass er zu dem Song von seiner 11-jährigen Tochter inspiriert worden sei, die ihn unerwartet auf dem Weg zur Schule gefragt habe, ob es einen Krieg geben würde. „Waiting on a War“ hat dieses Foo-mäßige Hymnische, das kollektive Gänsehaut in der Arena auslöst, wenn das gesamte Publikum mitsingt.

„Shame Shame“ startet mit minimalistischem Bass-Drum-Stakkato und einer eigenwilligen Gesangsmelodie, die dann in einen eingängigen Refrain mündet, der wie eine wehmütige Reminiszenz an die 70er-Jahre-Disco-Welle klingt und dann auch noch Evelyn „Champagne“ Kings gleichnamigen Hit aufgreift. Aber es sind die Foo Fighters, die das alles mit Rockattitüde tun und den Disco-Glanz mit Riot Grrrl-Schleifpapier a la Babes In Toyland entschärfen.

„Holding Poison“ ist dank der prächtigen Drum-Arbeit von Taylor Hawkins voller Hardrock-Vergnügen. Der Song ist wie ein Vintage-Song der Foo Fighters, der an die Songs aus dem zweiten Album „The Color and the Shape“ erinnert. „Chasing the Birds“ ist eine wunderschöne Ballade, mit der Grohl seine Fähigkeiten als sensibler Songwriter unter Beweis stellt. Der Song, bei dem es darum geht, unseren Geist in die Ruhe der Selbstfindung zu versetzen, ist im Geiste eines John Lennon geschrieben. Chris Shiflett fasziniert mit seinem klangalternativen Solo.

Insgesamt: Diese „Medizin um Mitternacht“ wird vielleicht neue Fans für sich gewinnen, die die neuen Seiten der Band kennenlernen, aber sie wird ganz sicher die bestehenden glücklich machen.

Radioserie mit den Foo Fighters

Head of PR teilen mit: Um die Veröffentlichung des Albums zu feiern, werden die Foo Fighters eine besondere sechsteilige Radioserie hosten: Medicine At Midnight Radio auf Apple Music Hits. Jedes Bandmitglied wird eine einstündige Episode moderieren und darin jeweils persönliche Inspiration vorstellen sowie den kreativen Prozess hinter Medicine At Midnight beleuchten. Fans können nächste Woche täglich einschalten, der Startschuss fällt am Montag, 8. Februar um 4:00pm PST (9. Februar, 1:00 Uhr deutsche Zeit) auf Apple Music Hits, unter apple.co/FFRadio und zeitgleich auf dem neuen SiriusXM Channel der Band, Foo Fighters Radio (channel 105). Dave Grohl hat außerdem Zane Lowe in seiner täglichen Apple Music 1 Show besucht, um sich über das Album zu unterhalten. Hört das Gespräch HIER