The Allman Betts Band „Bless Your Heart“. Abstriche? Keine.

Leidenschaft, Lust, Hingabe. Schon im Opener „Pale Horse Rider“ klingt die Freude am melodischen, fast hymnischen Ausdruck durch. Dieses Stück aus dem neuen Album „Bless Your Heart“ muss einen festen Platz auf der Setlist der Allman Betts Band bekommen. Die Nachkommen der legendären fast gleichnamigen Band, die statt „Brothers“ nun „Betts“ im Namen tragen haben ein mehr als 71-minütiges Werk vorgelegt, das auf jeder Rille begeistert.

Von Dylan Cem Akalin

Als das Devon Allman Project und Duane Betts im Kölner Yardclub vor ziemlich genau zwei Jahren ein Konzert gaben, urteilten wir, es sei zum Heulen schön gewesen. Und da sich unser Wunsch, die damals noch aus zwei Bands bestehenden Musiker würden zu einer zusammenschmelzen, wahr geworden ist, gibt es diese Momente jetzt auch auf CD. (Konzertkritik 2019 hier)

Musikliebhaber, die im aktuellen Rock’n’Roll-Zirkus auf der Suche nach erfrischend Neuem suchen, werden mit „Bless Your Heart“ bestens bedient. Es ist die Fortsetzung ihres beeindruckenden Debüts „Down to the River“ aus dem Vorjahr. Die Band bleibt dem countrylastigen Southern Rock treu, auch wenn Duane Betts eher im Americana-betonten Rock unterwegs ist. Allman Betts Band – das ist eine berauschende Mischung aus Rock, Blues, Country, Folk, Vintage-R’n‘B, einem Hauch von Jazz und viel Soul mit einer intelligenten, modernen Sensibilität. Abwechselnd ausgelassen und zurückhaltend sind dies Lieder über Liebe, Ausdauer und Freude, die von den Gitarristen und Songwritern Devon Allman und Duane Betts gleichermaßen souverän gesungen werden. Der Bassist Berry Duane Oakley gibt auf dem Epos „The Doctor’s Daughter“ sein Gesangsdebüt.

„King Crawler“ hat die Bodenhaftung, wie sie Bruce Springsteen verkörpert. „Carolina Song“ steht ganz offensichtlich unter dem starken Einfluss von Tom Petty. „Ashes of My Lovers“ wiederum geht mehr in Richtung des knorrigen Temperaments eines Mark Knopfler, ist aber auch stark am Stil der Allman Brothers dran. Eine Ballade, die die Trümmer ehemaliger Romanzen vor einer staubigen, Nick Cave-ähnlichen Kulisse besingt, mit Tiefgang und der Rätselhaftigkeit eines verborgenen Pfads durch die Apalachen.

Rockmusik voller Americana „Savannah’s Dream“ ist ein Instrumental von 12:03 Minuten Länge, das der ABB alle Ehre gemacht hätte, es hat diese klare Melodienführung, für die Betts Vater Dickey so bekannt war. Auch so ein Song, der zu einem Live-Klassiker werden könnte. Es hat eine Grundstimmung und einen Aufbau wie „In Memory of Elizabeth Reed“ mit viel Raum für solistische Einlagen. Da ist übrigens neben Devon Allman und Duane Betts noch unbedingt Johnny Stachela mit seiner Slide Guitar zu nennen – und John Ginty an den Keyboards.

Allmans bärbeißiger, ungeschliffener Gesang ist geradezu eindringlich, und Betts erdiger von schleppenden Südstaatenslang geprägter Gesang ideal für Nummern wie etwa das von Slide-Gitarren und Bläsern getriebene „King Crawler“. Bei „Southern Rain“ setzt sich die enthusiastische Melodie und rauchige Stimme Allmans spätestens beim Chorus im Ohr fest. „Rivers Run“ singt Betts mit der vom Country-Folk-geprägten Zurückhaltung.

Allman und Betts teilen sich den Lead-Gesang bei der halbautobiografischen Hymne „Magnolia Road“, einem schön-dreckigen Country betonten Southern Rock und einem souligen Refrain, sowie dem amüsanten Singalong „Airboats & Cocaine“ über ein Drogenschmuggel-Paar aus Florida. „The Doctor’s Daughter“ beginnt mit einem atmosphärischen Intro mit John Gintys Klavier, das mit Stachelas Slide benetzt wird. Der majestätische Track streckt seine Flügel über erhabene 8:18 Minuten aus und gleitet auf subtilen Gitarren wie ätherischen Keyboards. Zudem enthält es auch einige wundervolle Gitarrenspiele im Flamenco-Stil.

„Bless Your Heart“ ist ein fantastisches Album, auf dem die Allman Betts-Band ihre kreativen Muskeln spielen lässt und das tut, was sie am besten kann: Musik machen mit der dichten Atmosphäre eines Live-Konzerts und eben guten, handgemachten, bluesigen Southern Rock. Immer wieder bauen sie auf der 13 Stücken einen neuen Spannungsbogen und erhalten sich die Aufmerksamkeit des Zuhörers ohne Mühe. Abstriche? Keine!