100.000 Fans erleben einen magischen Auftritt von Metallica bei Pinkpop 2022

Kirk Hammett: Metallica bei Pinkpop 2022 FOTO: Ben Houdijk/PINKPOP2022

Metallica – Was für eine Monstersetlist! Die Edelleute des Metal haben Freitagnacht beim Pinkpop-Festival mal wieder abgeliefert. Der Auftritt in Köln vor drei Jahren hatte mich nicht ganz überzeugt. Heute zeigen sich James Hetfield, Gitarrist Kirk Hammett, Schlagzeuger Lars Ulrich und Bassist Robert Trujillo voller Lust am Performen, und das Quartett strömt eine sagenhafte Energie beim Spiel aus.  Insbesondere Kirk Hammett verblüfft mit sensationellen Sololeistungen – und einem geradezu mythischen Sound, wie ich ihn selten bei ihm gehört habe. Kurzum: Der etwa zweistündige Auftritt war ein Ereignis. (Fotostrecken hier)

Von Dylan Cem Akalin

Das gilt auch für die Setlist. Auf der Geburtstagsfeier-Tour zum 40. hat die Band eine Songauswahl zusammengestellt, die Metallica-Fans mit der Zunge schnalzen lassen. Schon als zweiten Song gab es mit „Creeping Death“ ein Stück aus dem Kult-Album „Ride The Lightning“, später noch „For Whom the Bell Tolls“ und die echte Rarität „Trapped Under Ice“.

Wie üblich startet das Konzert mit der Filmszene „The Good, the Bad and the Ugly“ und der Ennio Morricone-Melodie „The Ecstasy of Gold“. Und dann legten sie auch ohne Vorwärmphase direkt mit dem Speed-Metal-Klassiker „Whiplash“ (aus „Kill ‚Em All“) los. James Hetfield mit einer leuchtend weißen Flying V, und die ganze Band am vorderen Rand des Laufstegs. Mitten im Publikum.

„Creeping Death“

Bei „Creeping Death“ ließ Kirk Hammett seine erste schwindelerregende Shreddingeinlage los. Bei der Unisono-Stelle jubelte das Publikum und hob die Fäuste hoch. Und dann kam bereits als dritter Song „Enter Sandman“, was sie traditionell eigentlich als Set-Abschluss bringen. Da war schon klar, dass es wohl einige Überraschungen an diesem Abend geben würde.

Metallica bei Pinkpop 2022 FOTO: Ben Houdijk/PINKPOP2022

Bei „Harvester of Sorrow“ ist die Band mittlerweile wieder auf der Hauptbühne, das Schlagzeug vorne versinkt im Boden. Die Fans feiern die stampfenden Rhythmen. Hammett spielt ein ungewöhnlich melodisches Solo zu den bedrohlichen Rhythmen, die abrupt aufhören. Nach dem Break greift die Band das Thema erneut auf, und die Helden blasen mit „Trapped Under Ice“ zum Sturm. … von wegen „Freezing/Can’t move at all“. Metallica ist auf Speed. Hammett läuft für sein Blitzsolo wieder an den Bühnenrand. Eine einsame Orgel leitet in „Bleeding Me“ ein. Die Gitarre klingt drahtiger, die Drums hallen nach. James singt hingebungsvoll „I’m diggin‘ my way/I’m diggin‘ my way to somethin’“. Kirks Gitarre hat einen eindringlich, sanften Klang, der sich in die Gehörgänge bohrt während James schreit, dass er blutet. Und dann setzt diese wunderschöne Slidegitarre ein, während die Drums donnern und die Jungs antreiben, ihrem Ausdruck noch mehr Gefühl einzufügen. Der zweite Teil des Songs wird dann mit einem Schlag wilder, die Leadgitarre metallener, aggressiver, mit viel Wahwah. Und das Publikum skandiert „Hey! Hey! Hey!“ Das ist ein Song, in dem Metallica so viele Facetten von sich zeigen. Und James gibt danach auch zu, dass das ein emotionaler Moment für ihn gewesen sei.

„Wherever I May Roam“

Die fetten Riffs auf der runtergestimmten Gitarre dröhnen trotz des relativ niedrigen Lautstärkepegels wuchtig über den Platz mit den wohl gut 100.000 Fans. Klasse, wenn aus tausenden Kehlen die Songs mitgegrölt werden. Und auch hier wieder dieser kurze Break, der zum Gitarrensolo überleitet. Was ist heute mit Kirk? Der Mann spielt göttlich. Überhaupt ist die ganze Band derart gut aufgelegt. Ist es der Start der Europatour, die gerade erst in Kopenhagen losging? Die erste Tour seit der Pandemie? Die Jubiläumsfeier? Zum Schluss kniet Kirk wie einst Jimi Hendrix auf der Bühne und lässt die Gitarre wie einen Bombenangriff jaulen. Politische Statements gibt es an diesem Abend indes keine.

Metallica Pinkpop 2022 Peter „Beppo“ Szymanski

Übrigens die Show ist erstklassig inszeniert. Kamerafahrten, Farben, Laser und Licht, Bilder, Nahaufnahmen – alles ist genau abgepasst. Die Band hat sich die Produktion sicher etwas kosten lassen. Bei „Wherever I May Roam“ lässt die Regie die Musiker auf dem Screen strahlen, als würde das Licht aus ihnen herauslodern. Und tatsächlich hatte der Auftritt der Band etwas Magisches. Für mich gehört der Auftritt unbedingt auf Platte.

„Dirty Window“ („St. Anger“) ist angriffslustig, prägnant, merkwürdig, dass die Band den Song so selten live gespielt hat. Live ist das ein Hammer.

„Moth Into Flame“

Der Platz ist dunkel, die Bühne auch. Die Drums knallen zu versonnenen Gitarren aus dem Nichts während über die ganze Bühne ein schwarzer Rabe zu sehen ist, der die Flügel ausbreitet und abhebt während sich Trujillo und Hammett über die Bühne jagen. Was für eine Gewalt der Riffs! „For Whom the Bell Tolls“ ist ein Metallica-Klassiker, der noch dazu wieder Raum bietet, damit Kirk Hammett mal wieder seine Finger auf dem Gitarrenhals fliegen lassen kann. Ganz ohne Bandbegleitung, lässt er sein Instrument brüllen, jammern, flehen, klagen. Es ist der Übergang zu einem neueren Stück der Band: „Moth Into Flame“. Starker Gesang, wilde Gitarre, heiße Feuerfontänen.

James Hetfield: Metallica bei Pinkpop 2022 FOTO: Ben Houdijk/PINKPOP2022

Und wer gedacht hat, es kann nicht besser werden, der wurde dann mit einer intensiven Version von „Welcome Home (Sanitarium)“ überrascht. Nochmal: Was für ein Gitarrensound! Und dann als letzter Song des regulären Sets: „Seek & Destroy“. Zur Zugabe gab es „Metal Militia“, „One“ und „Master of Puppets“. Und noch ein tolles Feuerwerk. Wer da nicht zufrieden war…

Von wegen altgediente Metal-Veteranen! Metallica hat in dieser Nacht bewiesen, dass sie nicht so einfach vom Olymp des Heavy Metal gestoßen werden können. Sie sind vielleicht immer noch die Größten ihres Genres. Sie kamen, um zu spielen und zu unterhalten. Da blieb kein Raum für Geschwätz. Purer Live Metal mit einer einzigartigen Setlist, die ihre 40-jährige Karriere gut repräsentierte.

Robert Trujillo: Metallica bei Pinkpop 2022 FOTO: Ben Houdijk/PINKPOP2022
Metallica bei Pinkpop 2022 FOTO: Ben Houdijk/PINKPOP2022
Metallica Pinkpop 2022 FOTO: Dylan Cem Akalin
Metallica Pinkpop 2022 Peter „Beppo“ Szymanski
Metallica Pinkpop 2022 FOTO: Dylan Cem Akalin
Metallica Pinkpop 2022 FOTO: Dylan Cem Akalin
Metallica Pinkpop 2022 FOTO: Dylan Cem Akalin
Metallica Pinkpop 2022 FOTO: Dylan Cem Akalin