Von Cem Akalin
Bei einem seiner letzten Auftritte wird Frank Zappa im Foyer der Alten Frankfurter Oper fotografiert. Er ist gezeichnet vom nahen Tod, aufgedunsen von Medikamenten, der Bart ist grau, die Augen sind umrandet, auf dem Kopf trägt er eine Narrenkappe, Zeige- und Mittelfinger der rechten Hand formen ein V. Was soll es bedeuten. Peace? Victory? Zappa sieht auf dem Bild aus wie eine Mischung aus Clown und Napoleon kurz vor seiner Verbannung. Ein Hofnarr, der müde von den Feldzügen nach Hause zurückkehrt. Vor 17 Jahren starb der Komponist, Rockmusiker, Gitarrist und Kulturpessimist am Krebs, heute wäre er 70 Jahre alt geworden.
Was ist geblieben von dem genialen Musiker, der sein Leben lang an seiner „Conceptual Continuity“, einem Gesamtkunstwerk, geradezu besessen gearbeitet hat? Begonnen hatte er es mit Fernsehauftritt bei der Steve-Allen-Show 1963, wo er, noch sauber rasiert und im adretten Anzug, demonstrierte, wie man mit einem Fahrrad musizieren kann. Da waren seine ersten satirischen Songs, die noch unter dem starken Eindruck der Doo-Wop-Musik der frühen 1950er Jahre entstanden („Go Cry on Somebody Else’s Shoulder“), die interaktiven Live-Shows mit seiner Ur-Band, den Mothers of Invention, mit denen er in New York Leute vom Schlage eines Jimi Hendrix, John Lennon und Yoko Ono derart begeisterte, dass sie mit ihm auf der Bühne jamten. Bei seinen musikalischen Experimenten kannte Zappa keine Grenzen, persiflierte respektlos Led Zeppelin, Santana, Bob Dylan. Er bediente sich beim Jazz, Rock, Pop, Reggae und beim Folk, natürlich beim Rhythm & Blues, Einflüsse von Edgar Varèse und Anton Webern waren kaum zu überhören.
Eine Trennung von U- und E-Musik gab es bei ihm nicht. Am Ende seiner Tage verwirklicht er Musikprojekte mit Zubin Mehta, Pierre Boulez und Kent Nagano, der in Lyon ein Ballett („Dancing Zappa“) uraufführt. Jahrelang hatte er seinen Musikern das Äußerste abverlangt. Fesselnde Tempi-Wechsel, atemberaubende Percussion-Arrangements, musikalische Wechselbäder, dass einem schwindlig werden konnte, er dirigierte und kontrollierte seine Truppe fast bis zur Erschöpfung. In einem Moment ließ er sie rocken, im nächsten abrupt zu jazzigen Bläsersätzen oder fast artistischen Xylophon-Läufen wechseln. Seine Halloween-Konzerte in New York sind legendär, mehr Happenings, musikalisches Theater.
Zappa dürfte zufrieden sein mit seinem Erbe. Sein schier unfassbares Archiv erlaubt es der Familie immer noch regelmäßig CDs zu veröffentlichen. Aber genauso interessant sind die vielen Bands, die er beeinflusst hat. Ween und System of a Down wären ohne Zappa ebenso wenig vorstellbar wie etwa die Chicagoer Szene des sogenannten Post-Rock: Tortoise, Gastr Del Sol oder The Sea And The Cake. Zappa ist nicht tot, und sein letztes Zeichen bedeutete vielleicht doch so etwas wie „Victory“.