Joe Bonamassa macht vieles gut. Nach seinem eher durchwachsenen Auftritt in der Bonner Beethovenhalle vor zwei Jahren, beweist der zurzeit wohl angesagteste Bluesrock-Gitarrist am Mittwochabend in der Lanxess Arena Köln, dass er zu recht in der ersten Liga spielt. Super Begleitband, tolles Programm und ein spitzenmäßig aufgelegter Joe Bonamassa. Alles gut.
Von Dylan Cem Akalin
Der Mann ist so allgegenwärtig, dass ein gewisser Sättigungsgrad erreicht ist. Meint man jedenfalls. Joe Bonamassa produziert wie ein Wahnsinniger oder wie ein Totgeweihter, dem nicht mehr viel Zeit bleibt, um noch alles abzuschließen, was in seiner Seele brodelt. Gerade erst hat er mit Beth Hart eine CD herausgebracht, das nächste Doppelalbum „British Blues Explosion Live“ erscheint am 18. Mai 2018, da kündigt der 40-Jährige aus New Hartford, New York, für September schon das nächste Studioalbum an – und präsentiert gleich vier Stücke daraus am Mittwochabend in Köln vor etwa 3500 Fans.
Um 19.57 Uhr gehen die Saallichter aus, aus dem Off erklingt Muddy Waters‘ „All Aboard“. Damit schon mal klar ist, wo seine Wurzeln liegen – beim am Jazz orientierten Chicago Blues. Und auch der Opener „King Bee Shakedown“ ist ein energiegeladener Boogie-Rock, der die Band praktisch sofort auf höchste Betriebstemperatur bringt. Und Bonamassa schüttelt gleich eine Handvoll diverser Gitarrentechniken aus dem Ärmel, fliegt über die Saiten und hält die Rhythmustruppe mit Schlagzeuger Anton Fig und Bassist Michael Rhodes von Anfang an auf vorwärtstreibendem Tempo.
„Evil Mama“ startet mit einem dichten Tempo über windgleichen Keyboards. Die Bläser sind knackig und sparsam eingesetzt, während der Bass wie ein Donner durch die Halle rollt. Bonamassas Gitarre ist wild wie einst bei Jimmy Page. In sein wahwahbetontes Spiel steigt Reese Wynans mit einer fetten Hammond-Orgel ein, selbstsicher und gemächlich wie ein Buckelwal, der in einen Fischschwarm gleitet.
„Just Cause You Can“ hat ein rockiges Gitarrenintro, das kein Brimborium duldet, dann lässt sich Bonamassa mit seiner Band auf ein lässiges Tempo zurückfallen, das Stück nimmt einen jazzig-bluesigen Grundtenor an, die Backgroundsängerinnen Jade MacRae und Juanita Tippins aus Australien verleihen dem Stück mit ihren ausdrucksvollen Harmonien noch eine ordentliche Portion Soul. Und dann fordert Joe den Mann an den Tasten auf: „Come on, Reese!“ Der lässt sich nicht zweimal bitten. Die Orgel wabert, die Läufe flammen in zurückhaltender Spannung auf, Bonamassa steigt mit einem Solo auf seiner Les Paul ein, bei dem man meint, er quetscht jeden Ton genussvoll aus seinem Instrument. Das Publikum flippt aus.
Zeit für eine Ballade. „Self Inflicted Wounds“ ist nur zu Beginn eine coole Jazznummer, mit einer wunderschönen Trompete, die wie aus dem fernen Nebel herüberweht. Überhaupt: Trompeter Lee Thornburg und Saxofonist Paulie Cerra machen einen exzellenten Job. Der Song ist vielschichtig, nimmt im Chorus gar Pink Floyd-mäßige Züge an, und Jade MacRae zeigt zum ersten Mal an diesem Abend, welche Soloqualitäten die fantastische Sängerin hat. Und tanzen können die beiden auch. Immer wieder eine Augenweide, wie lässig sie sich bewegen, auch wenn ihre Choreographie manchmal wie Fitnessübungen rüberkommen.
Das waren also die vier neuen Stücke aus dem weiten Repertoire des Joe Bonamassa. Der Rest des Abends: Eine lässige Albert Lee-Nummer („I Get Evil“), die eine New Orleans-geschwängerte Hitze annimmt, mit ein paar sehr jazzigen Soli vom Trompeter und Reese Wynans am Piano, zwei Led Zeppelin-Songs, eine fulminante Version von „Boogie With Stu“ und „How Many More Times“. Das Eric Clapton-Stück „Mainline Florida“ erinnert fern an den Stil der Allman Brothers.
„No Good Place for the Lonely“ (vom Album „Blues of Desperation“) gibt Zeit zum Atem holen. Eine wunderbare Ballade, bei der auch eins deutlich wird: Joe Bonamassa ist auch ein klasse Sänger. Der Song hat einen tollen Spannungsbogen, den Joe später bei seinem Solo aufgreift und sich dabei regelrecht in Rage spielt.
Erst nach einer Stunde wendet sich Joe Bonamassa ans Publikum: Der Mann in dem dunkelblauen Anzug und dem blauen Hemd, der dunklen Sonnenbrille bedankt sich für die Gastfreundschaft in Köln und stellt seine Band vor.
Zu Beginn von „Slow Train“ (vom Album „Dust Bowl“): Lichtblitze und ein Lokomotivenrhythmus, der immer schneller wird. Während die Crew einen Verstärker, der den Geist aufgegeben hat, auswechselt, zieht die Combo das Tempo an, und dann zeigt auch Juanita Tippins, was für eine Stimmkraft in ihr steckt. Joe lässt seine Telecaster aufheulen, zitiert zwischendurch mal Creams „Spoonful“, und Paulie Cerra übernimmt auch einen Gesangspart.
Als Zugabe gibt es eine wunderschöne Version von Tim Currys „Sloe Gin“, bei dem Bonamassa nochmal seinen großartigen Gitarrensound und seinen tollen Gesang präsentieren kann. Ein großartiger Abend!
Noch eine Randbemerkung: Die Ticketpreise lagen zwischen 92 und 152 Euro (zuzüglich Gebühren). Was waren das für Zeiten, als man Joe Bonamassa noch für 15 bis 25 Euro sehen konnte?