Kurt Rosenwinkel hat einen radikalen Sprung vollzogen. Auf seinem aktuellen Album „Caipi“ ist irgendwie alles anders als sonst. Zehn Jahre habe er daran gearbeitet, die meisten Instrumente selbst eingespielt, und singen tut er auch noch. Doch beim Jazzfest Bonn ist wieder der auf der Bühne, als den man den 46-jährigen US-Amerikaner kennt – als Brückenbauer zwischen etablierten Ikonen wie Pat Metheny, John Scofield und Bill Frisell und der neuen Jazzgeneration wie Mike Moreno und Lage Lund. Die Jungen bezeichnen ihn als „Gitarrengott“ des aktuellen Jazz.
Von Dylan Cem Akalin
Und was er mit dem Trio „Bandit 65“ mit Tim Motzer (Guitar, Electronics) und Gintas Janusonis (Percussions) da macht, ist nicht weniger als Magie. Mit traumhafter Virtuosität, Mut und Experimentierfreude schafft das Trio phantasievolle Klanglandschaften zum Davonfliegen. Die Interaktion ist überaus spannend.
Mit „The Cloister“ aus dem Album „Deep Song“ (2005) eröffnet das Trio das Konzert. Vielleicht ist es eine Art Gruß an Brad Mehldau und sein Trio, die an diesem Album mitgewirkt haben und ebenfalls auf dem Jazzfest Bonn spielen werden. Es ist jedenfalls keines der aktuell typischen Stücke, eher aus seiner „klassischen“ Phase. „Sacred Geometry“ könnte als eine Art Hommage an Pat Martino sein, der mal eine Abhandlung über das Wesen der Gitarre geschrieben hat, über die besondere Sprache der Skalen, Theorie und Intervalle. Rosenwinkel hat einen urbanen Jargon entwickelt, gemeißelt aus der Hochsprache der klassischen Musik und dem Slang des Jazz. Mit seinen euphorischen Soli entwirft er eine Vision, er steigt tief ein in die Rohmaterialien, die er mit hoher melodischer Sensibilität seziert und zu makellosen Harmonien führt und dabei die diversen elektronischen Effekte als signifikante Stimme nutzt.