Organische Brutalität: Meshuggah in der Kölner Essigfabrik

Jens Kidman © Peter „Beppo“ Szymanski

Wer mit einem donnernden Stück wie „Clockworks“ startet, der macht klar, dass die nächsten anderthalb Stunden ein zeitloser Trip werden, eine waghalsige Wanderung durch unwirtliches Gelände voller Abenteuer. Wer zu Meshuggah kommt, muss sich von althergebrachten Vorstellungen lösen.

Von Dylan Cem Akalin

Jens Kidman © Peter „Beppo“ Szymanski
Jens Kidman © Peter „Beppo“ Szymanski

Wie heißt es in dem Opener „The Violent Sleep of Reason“? „Eine Lüge, was ich einmal war/ veraltetes Instrument/ Ein überholtes Gerät, eine Fehlfunktion“, die Uhr als Symbol für Unwiderlegbarkeit, die Absolutheit, die einzige wirkliche Wahrheit der Realität. Hier wird sie in Frage gestellt. Brachial. Wütend. Der Bass dröhnt, die Toms gewittern, Jens Kidman tobt die Worte aus.

Musik aus einer „in der Dissonanz geborenen Energie“

Man kann diese Musik Extreme Metal nennen oder Progressive Metal, Avantgarde oder Death Metal. Interessant sind die durchaus jazzigen Elemente in Harmonie und Grundtenor, eine Musik aus einer „in der Dissonanz geborenen Energie“, wie es so treffend in „Born in Dissonance“ heißt. Radikaler ist musikalischer Ausdruck kaum möglich. Auf „Sane“ vom 1998er Album „Chaosphere“ sind die jazzigen Einflüsse insbesondere bei Gitarrist Mårten Hagström an der Achtsaitigen (!) noch stärker herauszuhören, im Übrigen klingt das alte Stück noch viel mehr nach Nu Metal und erinnert bisweilen an Korn.

„Perpetual Black Second“ und „Stengah“ sind vom Album Nothing (2002), das gewissermaßen eine Wende der Band einläutet, rhythmisch noch ausgefallener, Hagström wechselt zur achtsaitigen Gitarre, was den Sound noch fetter, die Soli noch verrückter macht. Und auch an diesem Abend lässt er die Saiten ganz schon rauchen, während ihm Dick Lövgren am fünfsaitigen Bass einen satten Rhythmus liefert, Tomas Haake bei diesem krummen Takt irre Wendungen hält.

Mårten Hagström an der Achtsaitigen © Peter „Beppo“ Szymanski
Mårten Hagström an der Achtsaitigen © Peter „Beppo“ Szymanski

Über das Album „Koloss“ (2012) hat Haake mal gesagt, das seien 54 Minuten „organische Brutalität, in denen Eingeweide und Groove zu einem metallischen Leckerbissen“ vereint würden, und er warnte, die Musik sei nicht für Leute mit schwachem Herzen. Live wurde noch klarer, was er meinte. „The Hurt that Finds You First“ kommt mit der Wucht eines Panzerbataillons über die Fans, die völlig aus dem Häuschen sind, und der ruhige Schluss bietet nur kurze Erholung. Später spielen sie noch „Do Not Look Down“ mit dem sehr rockigen Gitarrenintro.

Klare Struktur der Instrumentierung

Für mich gehört das Album „obZen“ (2008) zu den besten der schwedischen Brachialmetaller. Und „Lethargica“ ist solch ein Stück, in dem die klare Struktur der Instrumentierung mit dem Gesang einfach genial sind. Auch „Dancers to a Discordant System“ ist ein intelligentes Stück mit unterschiedlichen Schichten und gegeneinander gespielten Rhythmen. Faszinierend, wie gewaltig das live funktioniert. Und „Bleed“ vom selben Album hat ja eine völlig andere Grundidee, mit diesem wahnsinnigen Schlagzeug und Bass, dass einem schwindelig werden kann. Eins ist diesen Stücken gemein: die ausgesprochene Klarheit .

Natürlich stand auch das Titelstück des aktuellen Albums auf der Setlist, zur Zugabe: „Demiurge“ und „Future Breed Machine“ vom zweiten Longplayer „Destroy Erase Improve“ (1995), noch durchdrungen von Industrialelementen und klaren Metal-Riffs.

Fazit: Ein grandioser Konzertabend für Fans, die sich darüber freuten, dass Meshuggah auch viele Stücke aus früheren Alben spielte.