Im Kunst!Palast in der Rheinaue Bonn ist es am Dienstagabend schwül wie am Delta des Mississippi, doch die Hitze staut sich nicht nur wegen der hochsommerlichen Temperaturen. Ohne Vorglühphase beginnt Beth Hart ein glühendheißes Rockkonzert.
Von Cem Akalin
Die Gitarre weint. Sie klagt an, schreit, PJ Barth windet sich, lässt sich auf die Knie fallen. Doch Beth Hart lässt sich nicht beeindrucken, würdigt ihn keines Blickes. Sie hat sich vor Drummer Bill Ransom aufgebaut, tanzt wie eine Schlangenbeschwörerin. Sie ist ganz Drama-Queen, als sie Melody Gardots „If I Tell You I Love You“ singt, sehr viel blueslastiger als das Original, sehr viel theatralischer.
Im Kunst!Palast ist es gestern Abend schwül wie am Delta des Mississippi, doch die Hitze staut sich nicht nur wegen der hochsommerlichen Temperaturen, Beth Hart hat die dunklen Haare lässig hochgesteckt, sie trägt ein luftiges, kurzes Top, hautenge, glänzend-schwarze Leggings und Bikerstiefel.
Sie ist eine Rock- und Bluessängerin, die keine Vorglühphase braucht, sie ist eine unerschöpfliche Energiequelle, die ständig unter Strom steht, immer aktiv, immer in Bewegung. Und ihre Stimme erzählt die Geschichte ihres Lebens, rau, dreckig, feurig. Als sie mit Ray Charles‚ Klassiker „Sinner’s Prayer“ die Bühne betritt, ist sie schon auf Hochtouren – und das Publikum auch. Die knapp 900 Fans machen Krach wie 9000, das scheint Hart nur noch mehr anzuspornen. Ständig gibt sie ihrer Band Anweisungen, krempelt das Programm einfach um.
Die erste Ballade kommt nach einer knappen halben Stunde. „Sky Full Of Clover“ aus ihrem Album „Leave The Light On“ (2005), auf dem sie ihre Alkohol- und Tablettensucht verarbeitet hat, sehr gospelorientiert mit einem wunderschönen Gitarrensolo von PJ Barth auf einer babyblauen Fender. Das Publikum tobt und bekommt Al Greens „Rhymes“. „Lift You Up“ kündigt sie an als „Stück, bei dem Ihr Euren Arsch bewegen könnt“. Nicht zu viel versprochen. Der Kunst!Palast wird zur PartyHöhle.
Ganz ruhig wird es erst, als sie die nächste Ballade singt. „Sister Heroine“ ist ein Lied an ihre verstorbene Schwester und gleichzeitig eine Anklage an sich selbst: „Verzeih mir, dass ich so schwach war.“ Man kauft ihr ihre Ergriffenheit ab, und wenn Beth Hart eine Schauspielerin ist, dann macht sie ihren Job verdammt gut. Sie starrt in die tobende Menge und ruft ihren Musikern zu, dass sie jetzt „Bottle Of Jesus“ singen will und widmet ihn allen Alkoholikern im Publikum.
„Jemand wartet drauf, mich zu retten/ Und ich weiß, meine Nachbarn wünschten, ich wäre tot, weil ich immer so laut werde, wenn ich high bin.“ Beth Hart greift nur nach der Wasserflasche an diesem Abend. „Trocken bin ich seit 13 Jahren“, sagte sie im Gespräch mit dem GA. High war sie gestern nur durch ihre Musik und ein fulminantes Konzert, das leider nach gut 100 Minuten vorbei war. Das Publikum hätte ihr länger zugehört – trotz der Hitze.