Dream Theater im Palladium: Plato, Pink und Zappa

Mit einem orchestralen Sturm voller virtuoser Blitze eröffnete die amerikanische Progressive-Rock-Band Dream Theater im Kölner Palladium den Abend und machte gleich klar, wo es langgehen würde. Komplexe Kompositionen mit vertrackten Rhythmen und viel, viel Platz für solistische Eskapaden des Gitarristen John Petrucci. Das Publikum will das – und wurde natürlich nicht enttäuscht. Petrucci gilt als „Stunt“-Gitarrist von ungeheurer Schnelligkeit, der noch dazu so virtuos ist, dass sein Spiel nicht zu einem rein olympischen Notenlauf verkommt.
Aber auch das Keyboard erhielt ungewöhnlich viel Raum. Nicht zu Unrecht. Auf dem gerade erschienenen Album „Scenes From a Memory“ fiel schon ein neuer Name auf. Jordan Rudess hat Kevin Moore an den Keyboards abgelöst, was nicht zum Nachteil der Band ist. Der 43-jährige Rudess ist ein Ausnahme-Keyboarder, der vor allem in der Jazz-Fusion-Szene einen Namen als einfallsreicher Musiker hat. Seine Vorlieben für Chopin, Jimi Hendrix, Yes und King Crimson konnte er bei einem Alleinauftritt auf der Bühne gar nicht ungeschickt miteinander verweben. Beginnend mit einem klassischen Piano-Thema, baute Rudess witzige Ragtime- und Blues-Einlagen ein und steigerte sich schließlich in kreischende, wilde Metal-Rhythmen.
Das Repertoire des Konzertes bestand überwiegend aus der neuen CD und dem Vorgänger-Studio-Album „Falling Into Infinity“, die konzeptionell zusammengehören. Beide beschäftigen sich mit der Zeit, dem Ende eines Jahrhunderts, dem Beginn eines neuen Millenniums. Das neue Werk ist ein reines Konzept-Album. Auf zwölf Stücken wird eine überaus verwickelte Kriminal-Geschichte erzählt. Es geht um das Suchen nach dem wahren Ich, um Reinkarnation, um Seelenverwandtschaften, da werden Plato, die alte römische und griechische Kultur zitiert – und es gibt jede Menge Musikzitate.
So auch live. Zwischen Prog-Rock und Metal tauchen Themenfetzen von Zappa, Eagles, Rush und Pink Floyd auf. Dream Theater gehören zu den wenigen ihres Genres, die alle Mainstream-Bewegungen seit Ende der 80er Jahre überlebt haben. Die energische Spielfreude und die begeisterten Fans zeigten, dass mit ihnen auch im neuen Millennium zu rechnen ist.

(Cem Akalin)