Fito de la Parra ist einer der letzten Helden von Canned Heat

Canned Heat FOTO: Promo

Fito de la Parra ist entspannt, und er freut sich, dass es endlich mal wieder regnet in Kalifornien. „Es ist so schön, diese grauen Wolken zu sehen, ein Wetter wie in Deutschland“, sagt er und lacht. Wir reden zunächst über Harvey Mandel, den langjährigen Gitarristen von Canned Heat, der seit 2011 an einer seltenen Krebserkrankung leidet. Teile des Gesichts, die Nase mussten entfernt und nun wieder rekonstruiert werden. Mit Fito de la Parra, der gerade seinen 69. Geburtstag feierte, sprach Cem Akalin.

Songs wie „Going Up the Country“ oder „On The Road Again“ sind immer noch hörbar. Sie werden sogar für Werbefilme benutzt.

Fito de la Parra: Ja, auch in Filmen.

Wie geht es dir dabei, wenn du sie singst?

Fito: Ich versuche mein Bestes! Ich bin nicht so gut wie Alan Wilson!

Ich habe dich mal vor gut 15 Jahren live gesehen. Da klangst du erstaunlich nah an Alan Wilson!

Fito: Ich versuche das tatsächlich, ich versuche, seinen Falsett-Gesang zu imitieren und das Publikum zufrieden zu stellen. Weißt du, für mich ist es ein wenig schwierig, den Part von Alan Wilson zu übernehmen. Außerdem sang er so hoch.

Er hatte ja eine sehr eigene Art zu singen.

Fito: Ich bin kein professioneller Sänger. Aber nach all diesen Jahren lernte ich doch diesen Alan-Wilson-Stil. (lacht). Weiß du, Bob „The Bear“ Hite sang ja auch nach Alans Tod dessen Stücke, aber er klang eben immer wie ein großer Bär. (lacht, ahmt ihn mit tiefer Stimme nach) Ich sagte immer: Kannst du nicht ein wenig höher singen? Und er erwiderte: Willst du, dass ich mir die Eier abschneide? (lacht)

Findest du es nicht merkwürdig, dass der Blues, dass eure Musik immer noch nicht tot ist?

Fito: Das war zu erwarten! Blues war nie so populär wie Disco oder Pop, aber Blues hat diese gewisse Ausdauer und Geduld. Er hat so ein bisschen dasselbe Schicksal wie Jazz.

Wie kamst du denn als mexikanischer Junge mit Blues in Kontakt?

Fito: Das fing mit Rhythm and Blues an: Ray Charles, James Brown und so was. Ich hatte eine amerikanische Freundin, die mir viel Black-Music-Platten schickte. Und da gab es Javier Bátiz, der so eine Art mexikanischer B.B. King war. Der hat ja auch Carlos Santana beeinflusst. Das ging so 1962, 1963 los. Und wenn du erst mal infiziert von dieser Musik bist, dann kannst du nicht mehr zurück zum Pop.

Du bist 1966 nach Los Angeles gekommen und warst ab 1967 Mitglied einer der angesagtesten Bands. Kannst du dich noch an das Gefühl erinnern, Schlagzeuger der Canned Heat zu sein?

Fito: Die erste Nacht konnte ich überhaupt nicht schlafen! Ich dachte immer nur: Das kann doch nicht wahr sein!

Canned Heat war damals zwar noch nicht so erfolgreich.

Fito: Aber es war eine sehr interessante Band aus Los Angeles, der Stadt, wo die Musik revolutioniert wurde. Mir ging es damals nicht um Geld und Ruhm. Keiner von uns dachte an so was. Uns ging es darum, diese Musik zu propagieren, den Leuten den Blues schmackhaft zu machen – vor allem dem weißen Publikum.

Diese Musikszene in Los Angeles, in Laurel Canyon, muss unglaublich inspirierend gewesen sein. Gab es da viel Kontakt untereinander?

Fito: Natürlich, und das war eine wunderbare Erfahrung. Ich habe ja mehrere Jahre in Laurel Canyon gelebt. Auf dem Sunset Boulevard waren damals diese ganzen wunderbaren Nightclubs, das Whisky a Go Go, Ciro’s, The Red Velvet, und überall konnte man diese neue Musik hören, sie zogen die jungen Leute an. Die ersten Hippie-Kolonien entstanden am Topanga Canyon.

Fito, wie schaut so jemand wie du auf sein Leben zurück?

Fito: Ich denke immer, dass mein Leben eine wunderbare Erfahrung war. Ich bin froh über die Entscheidungen, die ich getroffen habe. Du hast dein Schicksal ja selbst in der Hand. Ich sitze hier, fast 70 Jahre alt, denke zurück und bin extrem dankbar.

An was denkst du als erstes, wenn du deine Augen schließt?

Fito: Natürlich habe ich Bilder im Kopf, auch von wunderschönen Frauen (lacht), von fantastischen Shows, Partys, von so manchen Exzessen, aber auch die traurigen Momente und die, an denen man sich fragt, was Leben eigentlich bedeutet.

Ihr wart eine der beliebtesten Bands in Woodstock. Fast wäre es gar nicht zum Auftritt gekommen. Euer Manager Skip Taylor musste Euch geradezu hintragen. Was war geschehen?

Fito: Wir waren so unglaublich müde, weil wir unheimlich viele Shows hinter uns hatten, und unser Gitarrist Henry Vestine hatte uns gerade verlassen. Ich war damals im Hotelzimmer und habe geschlafen, und unser Manager musste mich tatsächlich geradezu raustragen. Ich glaube, der hat mir sogar meine Jeans und das T-Shirt angezogen.

Ihr seid dann doch nach Woodstock gekommen.

Fito: Wir mussten sogar einen Helikopter kapern, der irgendwelche Journalisten nach Woodstock bringen sollte. Als wir diese Massen unter uns sahen, dachte ich nur: Oh, mein Gott, das wird der größte Auftritt deines Lebens werden.

Was war das Einzigartige an Woodstock?

Fito: Es war ein Ereignis, das für unsere Generation und für unsere Werte stand. Es gab ja immer wieder Versuche, das zu wiederholen. Aber das geht einfach nicht.

Sammelt so jemand wie du Erinnerungsstücke? Hast du zum Beispiel dieses blaue T-Shirt noch, das du beim Auftritt damals trugst?

Fito: Nun, ich habe zwar das T-Shirt nicht mehr, aber meinen Backstagepass. Das war so ein total primitives Ding. Nicht wie die heute eingeschweißten, computergestalteten tollen Ausweise. Das war ein völlig unspektakuläres Stück Papier, und da steht handgeschrieben mein Name drauf. Ein richtiges Unikat. Der Ausweis steht auch für Woodstock, wo eben nicht alles perfekt war.

Hast du noch mehr Erinnerungsstücke?

Fito: An einer Wand hängen zum Beispiel die meisten meiner Backstagepässe, und auch meine Goldschallplatten und Trippel-Platin-Platten, eine ganze Reihe von Ehrungen. Und ich habe noch all meine Tagebücher, von 1959 bis heute!

Du hast deinem Buch den Untertitel „Music, Drugs, Death, Sex and Survival“ gegeben. Was bleibt in der Erinnerung: Tod oder Überleben? Mehr Sex?

Fito: (lacht) Der Sex ist glücklicherweise immer noch da. Aber Überleben wird immer wichtiger, vor allem in meinem Alter. Ich habe so viele Freunde und Kollegen sterben sehen. Gerade ist mein Freund Sam Andrew von Big Brother and the Holding Company gestorben.

Janis Joplin gehörte der Band mal an.

Fito: Ganz im Ernst. Immer wenn einer von ihnen stirbt, stirbt auch ein kleiner Teil von mir.