Starke Konzertmomente: Uriah Heep in der Lichtburg Essen

Uriah Heep 2018 in Essen FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Sitzplätze? Völlig unnötig, wenn Uriah Heep in der Lichtburg Essen spielt. Schon nach wenigen Takten strömten eine ganze Reihe von Fans vor die Bühne und ließen sich da nicht mehr vertreiben. Und auch der Rest im ausverkauften Saal stand über die mehr als anderthalb Stunden, als die Pioniere des Hardrock/Metal von der britischen Insel Stücke vom aktuellen Album und aus ihrer fast 50-jährigen Bandgeschichte spielten. Rastlos, laut, legendär.

Von Dylan Cem Akalin

Uriah Heep 2018 in Essen FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Ein Gewitter aus Trommeln, Blitz und Hagelausbrüche aus Bass und Gitarren, begleitet von den wuchtigen Keyboards und Flammen, die von der Bühne hochschießen. Der Start mit „Grazed by Heaven“ vom aktuellen Album „Living the Dream“ erinnert an Dream Theater, sogar die Stimme von Bernie Shaw hat in diesem Moment was von James LaBrie. Das Stück ist rasant, hat viel von einem ProgMetal-Song. Es ist so vorwärtstreibend mit einigen Tempo- und Harmoniewechseln, Breaks und einigen hymnischen Elementen, die von Soli von Gitarre und Orgel aufgebrochen werden, dass es tatsächlich prädestiniert ist, ein Konzert mit einem Knall beginnen zu lassen. Und wenn der Schluss nach ein paar waghalsigen Läufen von Gitarre, Keyboard, Bass und Schlagzeug abrupt kommt, dann können die Fans gar nicht anders, als sich von ihren Sitzen zu erheben.

„Living the Dream“

Sechs der 15 an diesem Abend präsentierten Stücke sind vom neuen Album, das stark die Handschrift von Produzent Jay Ruston trägt. Das sei bewusst gewesen, hatte Mick Box gesagt, „weil wir seine Arbeit mit The Winery Dogs, Stone Sour, Black Star Riders, Paul Gilbert und Europe bewundern“.

Uriah Heep 2018 in Essen FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Die Band setzt sich effektiv in Szene, tolles Licht, Rauch und Dampfschwaden, die in Säulen hochschießen. Das Quintett ist supergut gelaunt. Das springt aufs Publikum über. Das einzige, was vielleicht ein wenig irritiert, sind die Strassbestickten Hemden von Bandvorstand und Gitarrist Mick Box sowie Sänger und Entertainer Bernie Shaw. Aber gut, schlechter Geschmack kommt auch bei Rockmusikern vor, aber die Hauptstadtrocker-Shirts hätten sie sich fürs Berliner Publikum aufheben können. Erstaunlich viele junge Leute sind da, einige tragen Black Sabbath-T-Shirts, aber die meisten sind wohl mit der Musik von Uriah Heep groß (und älter) geworden. Auch einige auf der Bühne haben schneeweißes Haar. Mick Box ist einzig verbliebenes Urmitglied der 1969 gegründeten Band, andere haben das schnelle Rock’n’Roll-Dasein nicht überlebt. Aber Sänger Bernie Shaw und Keyboarder Phil Lanzon sind ja auch schon gut 30 Jahre dabei, Drummer Russell Gilbrook seit bald zehn und Bassist Davey Rimmer, mit fast 50 der Jüngste der Band, fünf.

„Return to Fantasy“

Schon mit dem zweiten Stück nehmen uns Mick Box und die übrige Truppe mit zurück ins Jahr 1975. Das Titelstück des Albums „Return to Fantasy“ ist melodischer, klingt ein wenig wie eine Mischung aus Rocktheater und Deep Purple.

Uriah Heep 2018 in Essen FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Das Titelstück des aktuellen Albums trägt Züge von Kansas. Man muss es Mick Box und Keyboarder Phil Lanzon lassen, die beiden sind ein wirklich gutes Composer-Gespann. Die Stücke sind vielschichtig und bauen sich um einen starken melodischen Stamm auf, die Sounds werden ausgekostet: Die Drums von Russell Gilbrook klingen fett und präsent, wuchtig, gewaltig, der Bass von Davey Rimmer lässt Kenner mit der Zunge schnalzen. Und Frontmann Bernie Shaw ist eh ein fettes Zugpferd mit einer immer noch höchst elastischen Stimme, die noch eine erstaunliche Range aufweist.

Sensationelles Gitarrensolo

„Too Scared to Run“ (Abominog, 1982) hat diesen etwas Foreigner-Poprock in der Grundhaltung, wie er in den 80ern von vielen Rockbands adaptiert wurde. Nicht ganz mein Fall. Dafür werden wir mit „Take Away My Soul“ (2018) mehr als entschädigt, vor allem, weil Mick hier ein sensationelles Solo spielt, immer wieder von Akkordfolgen zu rasanten Fingerübungen wechselt – und dabei einen beispiellosen Sound auf der Gitarre hat.

Schon als die ersten Orgelsounds erklingen, beginnen die Fans an zu jubeln. „Rainbow Demon“ (Demons and Wizards, 1972) beginnt zunächst wie Deep Purples „Time In Child“. Die Band spielt den Song an diesem Abend noch eine Spur härtiger, was die Headbanger gefreut haben dürfte.

Aaaaahaaahaaahahahaaaahahahaaaa…

Uriah Heep 2018 in Essen FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Nur von der Akustikgitarre begleitet stimmt Bernie das folkorientierte „Waters Flowin’“ an, auch so ein Stück, das von Kansas beeinflusst sein könnte. Danach zücken hunderte Handys: Der Song gehörte früher wohl mal zu den Standards am Lagerfeuer: A-moll und G-Dur, mehr braucht man dafür nicht. Und der Saal singt mit Aaaaahaaahaaahahahaaaahahahaaaa. „Lady in Black“, einer der größten Hits der

Band, in einer fast sechsminütigen Version.

Die Ansprüche werden mit „Rocks in the Road“ (2018) ums Vielfache gesteigert. Nicht nur wegen des Aufbaus des Stücks. Nach einem Break kommt ein ruhiger Teil, der dann in ein fulminantes Bass-Orgel-Duett übergeht.

Mann, steckt viel Power in „Gypsy“ vom 1970er Album „…Very ‚eavy …Very ‚umble“, dazu dieser Brüche und heftigen Einschübe wie Kavallerieschüsse und dann die „heavy“ Gitarre. Die ausschweifende Orgel! Headbanger, wo seid ihr?  Ein echtes Kulturdenkmal des Heavyrock!

Metallische Entladungen

Uriah Heep 2018 in Essen FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Dazu zählt sicher auch „Look at Yourself“ vom gleichnamigen Album (1971). Super Melodie, fantastisches Arrangement, die leicht jazzige Orgel. Mick hat sich mittlerweile total warm gespielt, macht Sperenzien beim Spiel, tänzelt mit der rechten Hand, zeichnet elegante Figuren in die Luft, während die linke weiter über den Hals seiner Gitarre flitzt. Hinter seiner verspiegelten Sonnenbrille ahnt man die Lachfalten nur. Dann kommt der perkussive Teil des Stücks, Drums und Bass liefern sich ein immer schneller werdendes Duell, das schließlich von Mick mit metallischen Entladungen von Rockriffs durchbrochen wird. Ein richtig starker Konzertmoment!

„July Morning“

Das Orgelintro beim epischen „July Morning“ von selben Album erinnert an Joe Cockers Woodstockauftritt („With a Little Help From My Friends“), geht aber dann in eine balladenhafte Melodie über. Erstaunlich, wie gut Bernies Stimme da passt. Auch David Byron (1976 verstorben) sang das Stück mit einer Weichheit und einigen Ian Gillan-artigen Ausbrüchen.

Mit dem Rockklassiker „Easy Livin“ (Demons and Wizards, 1972) beendet die Truppe ihre Show. Da machen aber schon längst auch die Fans in den letzten Reihen Party wie in den wilden 70ern.

„Once you’re in you’ll never go…“

Wie hieß es im Opener des Abends? „Once you’re in you’ll never go…“ Das gilt auch für die Fans, die völlig aus dem Häuschen sind. Also kommt die Band mit zwei Zugaben raus: „Sunrise“ (The Magician’s Birthday, 1973) und „Knocking at My Door“ (2018). Die Zuschauer werden wohl überglücklich nach Hause gegangen sein.