Procol Harum im Brückenforum Bonn: einige Momente pure Glückseligkeit

Gary Brooker mit Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin

Gott hat eine brüchige Stimme. Er ist vielleicht ein höheres Wesen, ein Schöpfer, ein Herrscher über Leben, Tod, das gesamte Universum. Aber er ist einsam. Ein Herr mit Gewissensbissen, mit Schuldgefühlen, vielleicht sogar mit Reue. Wie Gary Brooker in „The Only One“ genau das alles mit seiner Stimme verkörpert, ist außergewöhnlich. Vielleicht war es der Höhepunkt seines Konzertes mit Procol Harum im Brückenforum Bonn.

Von Dylan Cem Akalin

Gary Brooker mit Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin

Vielleicht ist das die Überraschung des Abends. Dass ausgerechnet ein Song aus dem letzten Album „Novum“ (2017) die Leute aus den Sitzen reißt. Der Applaus nach „The Only One“ ist jedenfalls stürmisch. Und das zu Recht. Da stimmt einfach alles. Leidenschaft und Hingabe, Perfektion in Darbietung, gesanglich wie im Gesamtbild der Band.

Überhaupt Gary Brooker: Wenn man etwa bei „A Salty Dog“ die Augen schloss, meinte man, immer noch den 24-jährigen Rockmusiker zu hören und nicht einen 73-Jährigen, der im grauen Anzug am Klavier sitzt. Brooker ist mit seiner souligen, rauchigen Stimme sowas wie ein Erkennungsmerkmal von Procol Harum, der Band, die vor mehr als 50 Jahren begonnen hat, klassische Musikelemente mit Rock, Blues, Soul und Jazz zu einem eigenen Ausdruck zu vermischen. Und prompt auf ihrem ersten Album einen Megahit zu landen.

„A Whiter Shade of Pale“

Ums vorwegzunehmen: Ja, A Whiter Shade of Pale haben wir an diesem Abend auch gehört. In einer etwa sechs Minuten langen wunderbaren Fassung als Zugabe. Die Orgelbegleitung versetzt jeden unseres Alters sofort in die Partykeller der 60er und 70er Jahre. Und Brooker singt den Song trotz der irgendwie egozentrischen Zeilen so authentisch und engagiert, als wären wir tatsächlich in der Zeitkapsel zurückgeschleudert worden. Die Hammond-Noten rücken sicher auch diejenigen, die damals noch nicht geboren waren, in eine unbestimmte historische Musikdimension. Denn Brooker zeigt all die Kraft und Magie seiner Stimme, als er die immer noch rätselhaften Zeilen singt: „ We skipped the light fandango/Turned cartwheels ‚cross the floor/I was feeling kinda seasick/But the crowd called out for more…” Es sind fast sechs Minuten pure Glückseligkeit, die indes viel zu schnell dahinziehen, aber am Ende fühlt jeder, dass sich sein Leben an diesem Abend irgendwie ein wenig vollständiger anfühlt.

Procol Harum ist Gary Brooker

Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin

Um aber auch das klar zu sagen. Die knapp zwei Stunden Konzerterlebnis waren kein durchgängiges Glücksgefühl. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass da was fehlte. Das merkte man bei Stücken, die einen vielleicht nicht ganz erreichten (wie etwa „Neighbors“). Was fehlte, war ein Gesamtgefühl, das von der Band ausgehen müsste. Ganz klar: Das war eine One Man Show. Gary Brooker ist Procol Harum, und Procol Harum ist Gary Brooker. Das machte schon die Bühnenaufteilung klar. Die Spots waren auf das einzig verbliebene Ur-Bandmitglied gerichtet.

Dabei hat Brooker eine richtig gute Band zusammengestellt. Bassist Matt Pegg, immerhin schon seit 1993 dabei, ist unglaublich präsent. Bei „Simple Sister“ (Broken Barricades,1971) ist er es, der dem Stück die nötige Wucht gibt, damit Geoff Whitehorn auf seiner Gitarre den Freiraum hat ordentlich abzuziehen. Whitehorn ist eh ein Gitarrist mit einer unglaubliches Finesse und Eleganz in den Fingern. Dieses bluesy, psychedelische Solo am Ende von „Can’t Say That“ (2017): grandios. Die feine Gitarrenarbeit auf „Salty Dog“, der segelnde Sound über der retardierenden Orgel auf „Image of the Beast“ (2017), das Tapping auf „Cerdes (Outside the Gates Of)“ (1967) – ein richtig feiner Mann an der Gitarre!

Mix aus allen Phasen der Bandgeschichte

Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin

Geoff Dunn, seit 2006 bei Procol Harum und davor schon Drum-Motor bei Jimmy Page, Dave Stewart, Van Morrison oder Manfred Mann, ist die geniale Besetzung, um den Stücken genau die Betonung zu geben, die sie verdienen. Vielleicht sogar der beste Drummer in der Bandgeschichte. Doch der Mann saß versteckt im Bühnenhintergrund. Seit 1993 spielt Josh Phillips die Hammondorgel in dieser Formation und ist ein echter Zauberer an den Tasten, ein Keyboarder, auf den sich Brooker hundertprozentig verlassen kann, egal ob an der B3 oder aber bei der Erzeugung diverser Sounds oder Streicher. Ein echter Hammer der Mann!

Insgesamt hat Brooker eine tolle Setlist zusammengesetzt, ein Mix aus allen Phasen der Bandgeschichte, sogar mit einem kleinen Schwerpunkt auf den neueren Kompositionen, was durchaus mutig ist – und sich leider viele Bands nicht trauen –, was aber funktioniert hat. Ein weiterer Höhepunkt war auch „Conquistador“, in dem ja auch ein paar Latinmotive auftauchen, und auf dem Whitehorn ein fantastisches Solo abliefert. Ein toller Abend.

 

 

Gary Brooker mit Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin
Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin
Gary Brooker mit Procol Harum in Bonn FOTO: Dylan Cem Akalin