Im Schatten des Kölner Doms: Van Morrison macht gut 4000 Fans glücklich

Van Morrison eröffnet die Konzerte am Kölner Dom. FOTO: Peter "Beppo" Szymanski

Der Mann in dem dunklen Nadelstreifenanzug, der undurchdringlichen Sonnenbrille und dem Hut auf dem Kopf steht so robust, so bestimmend, so standfest auf der Bühne wie ein irischer Hafenarbeiter kurz vor Beginn einer Kneipenschlägerei. Selbst in einem so flehenden Moment wie in „Think Twice Before You Go“ bleibt der Mann so unerschütterlich stehen, ballt lediglich die Fäuste. Dennoch: Die Kraft, die Emotion, die Van Morrison auch mit 72 Jahren in der Stimme hat, bringt mehr rüber, als ein zappelnder Popstar. Und das alles direkt unter dem Kölner Dom. Großartige Momente gab es am Mittwochabend mehr als genug.

Von Dylan Cem Akalin

Van Morrison eröffnet die Konzerte am Kölner Dom. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Das muss man erst mal bringen: Der Song beginnt mit einem Bebop-Groove, das berühmte Thema von Miles Davis‘ „So What“. Wir fühlen uns wie im Jahr 1959 in Newport. Einen ganz kleinen Augenblick. Und dann kommt dieses leichte Thema von „Moondance“, Van Morrisons Liebeserklärung an den Herbst. Und plötzlich swingt der Song. Der Bass behält die riffartigen Melodie von „So What“ bei, die Trompete setzt ein, spielt aber gänzlich Miles-Konträr, wird von der Gitarre, dann vom Vibraphon abgelöst, bis Kontrabassist Paul Moore (Mark Knopfler, Katie Melua, Chieftains)  sich mit seinem Standpunkt durchsetzt und das Davis-Stück weiterspielt, improvisiert. Und während Van Morrison das vielleicht schönste Solo auf seinem Alt-Saxofon spielt, haut Paul Moran (Hammond Organist, Pianist, Trompeter) auf dem Flügelhorn ein paar Fetzen dazwischen, dass man Miles neben Van zu sehen meint.

Melancholie voller Hochmut und Schmerz

Van Morrison eröffnet die Konzerte am Kölner Dom. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Vielleicht ist es sowas wie eine Schlüsselszene. Die Art und Weise wie Morrison die Stile vereint, dabei von seinen Musikern höchste Flexibilität fordert, ist so typisch für den Meister des Unberechenbaren. Der Spielraum des Unkalkulierbaren besteht sogar für seine Musiker, die, wie man immer wieder hört, schon mal die Tyrannei des Chefs zu spüren bekommen, der das Repertoire spontan nach seinen eigenen Impulsen auswählt. Immer wenn man denkt, man kenne seinen Fahrplan, kommt es anders. Fanfarenklänge braucht der kompakte Mann mit der prägnanten Stimme nicht, auch keine Lichttricks. Und wortkarg ist der Alte auch geworden, vorbei die Zeit, als er noch gerne auf der Bühne palaverte, und irgendwelche Botschaften hat er schon gar nicht. Wenn, dann überhaupt nur die aus seinen Songs, aus denen stets so eine Melancholie schwingt, die etwas Trotziges hat, da spricht auch ein Hochmut aus dem Schmerz, Begehren, Wollust, Zorn.

Van Morrison eröffnet die Konzerte am Kölner Dom. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Der Mann mit dem unvermeidlichen Hut hat eine Stimme, die ausreicht, um Gebete eines Verzweifelten hinauszuschreien, um die Klagen eines Verlassenen wie die Essenz eines Einsamen klingen zu lassen. Der Mann hat ein Timing, das sagenhaft ist, und ein Gespür für Harmonien, dass es einen schon mal den Atem anhalten lässt.  So wie bei „In The Afternoon“. Ein Song, in dem Van sein ganzes Begehren, seine Lust nach einer Frau bündelt, vielleicht der einzige Song, bei dem dieser Löwe von Belfast in Ansätzen tanzt und sich windet, und der mit einer ausgedehnten Gesangsimprovisation das Highlight des Abends ist.

Das ist eine ernste Sache!

Auch typisch Van. Das Publikum rastet total aus, will seine Begeisterung austoben. Doch den Mann, der nicht mal seine Krawatte lockert, scheint das nicht zu kümmern. Nach dieser sensationellen Darbietung geht die Band über zu Tagesordnungspunkt 19…

Überhaupt lässt Van Morrison der Band (und dem Publikum) kaum eine Atempause. Jedes Stück geht praktisch ohne Zwischenpause ins nächste über. Morrison wird an diesem Abend nicht lächeln, grüßen oder winken, aber er verschwendet eben auch keine Minute. Er markiert höchstens mal die rhythmischen Akzente mit der Faust, lässt die Harmonika knurren, hat sicher Spaß mit der Lautmalerei. Das, meine Damen und Herren, ist eine Show, und das ist eine ernste Sache!

„Whenever God Shines His Light“

Van Morrison eröffnet die Konzerte am Kölner Dom. FOTO: Peter „Beppo“ Szymanski

Aber dieser harte Kerl scheint doch sowas wie einen Kern zu haben, der fühlt. Ist es diese wunderbare Szenerie, der Auftritt neben diesem erhabenen Dom, der kaum einen Menschen unbeeindruckt lässt? Er singt „How Far From God“, der Song eines Geläuterten, ein  ins Mark gehender Gospel von Sister Rosetta Tharpe. Und als wäre das nicht genug, kommt er auch noch mit „Whenever God Shines His Light“. Davor spielt er mit seiner Band eine schmissige Jazzversion von „Jackie Wilson Said“ (1972), den auch die Dexys Midnight Runners als Hitsingle einspielten.

Das Set lässt keine Wünsche übrig: Es gibt Blues-Blitze(„Baby Please Don’t Go“, „Don’t Stop Crying Now“, „Got My Mojo Working“), humorvolle Energieentladungen („Broken Record“), Klassiker („Brown Eyed Girl“, „Symphony Sid“), Soul, R‚n’B…

Das Konzert endet für Van Morrison nach genau 88 Minuten. „Gloria“ ist der traditionelle Schlusssong. Morrison singt, bedankt sich auf Deutsch und verschwindet hinter der Bühne. Kaum ist der Alte von der Bühne lebt die Mannschaft noch mal richtig auf. Die Band ist überhaupt erstklassig: Bassist Paul Moore, Keyboarder Paul Moran, der dann noch ein paar flotte Moog-Sounds über den Roncalli-Platz jagt, Gitarrist David Keary, der den ganzen Abend immer wieder Stimmungsschwankungen zu meistern hat, mal in Richtung George Benson, dann wieder rockig, dann akustisch begleitet, Drummer Mez Clough, Sängerin Dana Masters und Perkussionistin Teena Marcombe spielen noch eine gute Viertelstunde, dann ist Schluss. Der Abend wird unvergessen bleiben.