„Snow“ von Spock’s Beard hat alles, was sich ein Progrockfan wünscht

Spocks-Beard-Snow-Live-FOTO: Joel-Barrios

Gott sei Dank! Die Lücke ist geschlossen! Als „Snow“, das sechste Studioalbum von Spock’s Beard abgeschlossen war, verließ ausgerechnet Frontmann, Mastermind und Sänger Neal Morse die Band. Und so sollte das Konzeptalbum der Progressive-Rock-Band das einzige bleiben, das niemals live aufgeführt worden ist… bis Juli 2016. Das wurde das legendäre Album in Gänze auf dem Morsefest in Nashville Tennessee aufgeführt – in Originalbesetzung. Die Aufnahmen erscheinen jetzt auf CD, DVD, Blu-ray und Vinyl.

Von Dylan Cem Akalin

Nachdem Morse die Band 2002 verließ, machte der Schlagzeuger der Band, Nick D’Virgilio, den Phil Collins und übernahm die Leadsängerschaft. Während er das Schlagzeug auf den Studioalben weiter bediente, übernahm Jimmy Keegan die Drums in den Live-Shows. Als D’Virgilio 2011 die Band verließ, wurde Keegan ein vollwertiges Mitglied, ebenso wie der Sänger Ted Leonard (Enchant), der bei Live-Shows für D’Virgilio gespielt hatte. Das Schöne an den Snow-Aufnahmen ist, dass alle diese Protagonisten an dem einmaligen Projekt beteiligt waren und eine tolle Show lieferten.

Ab und zu kommt ein Album, das die Fans berührt, weil sie wissen, dass es etwas Besonderes ist. Snow  ist eines dieser Alben. Es wird die Geschichte eines Albino-Kindes (Spitzname „Snow“) erzählt, das mit einer besonderen Gabe geboren wurde, in der man durch Berühren von jemandem nicht nur die Gedanken eines anderen lesen, sondern in die Zukunft blicken und sogar den Verlauf verändern kann. Sein Leben ist gekennzeichnet von Versuchungen, und die Anforderungen, die Verantwortung, die er trägt, belasten seine Gesundheit. Das ganze Konzept des Albums entwickelt sich um seine Lebenserfahrungen und die Menschen, denen er auf dem Weg begegnet. Er  findet schließlich spirituelle Erleuchtung, um den Menschen zu dienen und seine gottgegebene Gabe zu gebrauchen. Sein Leben wird auf eine atemberaubende Weise erzählt. Jeder Track auf dem Album vermittelt ein einzigartiges Gefühl und eine dichte Atmosphäre, die die Geschichte durchgängig trägt. Dazu verwendet die Band zum Beispiel auch wiederkehrende Themen in der Musik.

Schon beim ersten Track, „Made Alive“, mit seinen ruhigen, wehmütigen Vocals und akustischen Gitarren, kündigt die Band an, dass sich die Zuhörer auf eine fantastische musikalische Reise begeben werden. Alle Tracks sind miteinander verbunden, und instrumental beweist die Band ihre wahre Klasse. Dabei erinnern kurze Anklänge, wenn nicht gar Zitate an klassische Progressive-Rock-Bands der Vergangenheit. Da weisen Gitarrenriffs und Instrumentalpassagen an die klassische Yes-Ära mit der Ouvertüre („Heart Of The Sunrise“), Keyboard-Leads und Riffs klingen nach Tony Banks von Genesis, und ein paar der wilderen Orgel- und Drum-Ausbrüche lassen doch Erinnerungen an E.L.P. wach werden. Die etwas schrulligen Start-Stopp-Rhythmen mit einigen Bläsern könnten aus der klassischen King Crimson-Ära sein, entspanntere Passagen hätten auch von Pink Floyd stammen können.

Neben dem fantastischen Gesang von Neil Morse begeistern aber auch die mehrstimmigen Backing Vocals. Die Band zieht wirklich alle Register, um ein ganz hervorragendes Produkt abzuliefern. Dieses Album hat wirklich alles, was man sich als Progrockfan wünscht: tolle Songs, großartige Vocal-Harmonien, brillante Drums, Gitarre, Bass und Keyboards, eine großartige Story — und vor allem hat es die Fähigkeit, den Hörer in die Geschichte zu ziehen – so wie es sich für ein klassisches Konzeptalbum gehört.